„Die Alten kommen nicht mehr weg aus den Dörfern“

Der demografische Wandel verändert Einbeck – langsam, aber fundamental. Bürgermeisterin Sabine Michalek über die drängendsten Aufgaben, die Rolle der Verwaltung und die besonderen Probleme abgelegener Ortschaften.

Hallensen gehört zu den kleinsten Ortschaften des großen Stadtgebiets. Bürgermeisterin Sabine Michalek warnt: "Straßen in abgelegene, schrumpfende Dörfer werden immer unwirtschaftlicher."

Einbecks Bevölkerung wird in den kommenden Jahrzehnten deutlich altern und schrumpfen. Was sind die wichtigsten Handlungsfelder, um mit diesem demografischen Wandel umzugehen?
Es gibt viele Themen, um die wir uns kümmern müssen – von der Pflege über barrierefreies Wohnen bis zur hausärztlichen Versorgung. Besonders wichtig sind für Einbeck aber zwei Dinge. Wir brauchen Antworten auf den drohenden Fachkräftemangel. Und: Wir müssen die Mobilität der Menschen gerade in den kleinen Ortschaften sicherstellen.

Hat der Fachkräftemangel Einbeck schon erreicht?
Bisher ist er noch nicht akut. Aber Tatsache ist: Einbeck ist für Fachkräfte von außerhalb leider nicht so attraktiv wie viele Großstädte. Hinzu kommt, dass uns jedes Jahr mehr junge Menschen verlassen als von anderswo zuzuziehen. Spätestens in 10 bis 15 Jahren, wenn die heute 50-Jährigen in Rente gehen, werden wir vor einem ernsten Problem stehen. Bei der Stadtverwaltung reagieren wir darauf, indem wir schon heute über den aktuellen Bedarf ausbilden.

Worin besteht das Problem bei der Mobilität?
Man muss sich klar machen, wie groß und dünn besiedelt die Stadt mit ihren 46 Ortschaften ist. Flächenmäßig ist unser Stadtgebiet größer als Hannover – und das bei nur 32.000 Einwohnern. Für die kommunalen Straßen bedeutet das: Wir haben schon heute einen hohen Aufwand für Instandhaltung und Erneuerung. Bei sinkenden Einwohnerzahlen steigen die Ausgaben pro Kopf nochmals erheblich. Straßen in abgelegene, schrumpfende Dörfer werden damit immer unwirtschaftlicher, denn die Unterhaltungskosten bleiben fix. Eine zweite Schwierigkeit: Gerade in den kleinen Orten lassen sich viele Ältere gern zum Arzt oder Einkaufen mitnehmen. Je mehr Junge den Ort verlassen, desto schlechter funktioniert aber solche Nachbarschaftshilfe – die Alten kommen nicht mehr weg aus den Dörfern.

Bürgermeisterin Sabine Michalek sieht die Verwaltung als Vermittler: "In erster Linie können wir moderieren, beraten, auf Probleme aufmerksam machen."


Welche Lösungen gibt es?
In den Orten gibt es viele gute Ideen und Aktivitäten – so wie die Mitfahrerbank in Hullersen. Leider scheitern einige lohnenswerte Initiativen an den rechtlichen Rahmenbedingungen. Das gilt zum Beispiel für manche Bürgerbus-Projekte, die den strengen Vorgaben des Personenbeförderungsgesetzes unterliegen. Hier wäre es sinnvoll, wenn der Gesetzgeber den Ehrenamtlichen das Leben leichter machen würde. Neben privaten Initiativen spielt natürlich der Öffentliche Personennahverkehr eine große Rolle für die Mobilität auf dem Land.
 
Wie beeinflusst der jüngste Zuzug von Flüchtlingen die Bevölkerungsentwicklung?

Nicht wesentlich. Einbeck hat vor drei Jahren gut 400 Menschen aufgenommen. Das ist eine Größenordnung, die auf lange Sicht zu vernachlässigen ist. Etwas anders sieht es mit dem Zuzug aus EU-Staaten aus. Hier haben wir beispielsweise erlebt, dass starke Zuwanderung aus Rumänien den Fortbestand der Grundschule Kreiensen mit ihrer Außenstelle in Greene gesichert hat. Aber so etwas ist eher ein ungewöhnlicher Einzelfall.

Welche Rolle muss die Verwaltung bei der Gestaltung des Wandels grundsätzlich spielen?

Unsere finanziellen Spielräume sind gering -  auch weil wir an den Zukunftsvertrag gebunden sind. In erster Linie können wir moderieren, beraten, auf Probleme aufmerksam machen. Ein gutes Beispiel dafür ist der Runde Tisch zur hausärztlichen Versorgung, der auf Initiative der Stadtverwaltung entstanden ist. Nach anfänglichen Schwierigkeiten sind aus den Gesprächen interessante neue Modelle entstanden. Zum Beispiel konnten einige ältere Hausärzte ihre Praxis frühzeitig an einen jüngeren Nachfolger übergeben – und selbst als angestellte Ärzte weiterarbeiten.

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