Unternehmen müssen um den Nachwuchs kämpfen
Immer weniger Schulabgänger wollen eine Ausbildung beginnen. Der demografische Wandel wird den Nachwuchsmangel weiter verschärfen. Maik Heise von der Arbeitsagentur Göttingen rät: Betriebe sollten auch Bewerbern mit schwächeren Noten eine Chance geben.
Viele junge Einbecker verlassen die Stadt für Ausbildung oder Studium. Finden die Arbeitgeber genügend Nachwuchs?
Viele Unternehmen haben große Schwierigkeiten, ihre Lehrstellen zu besetzen. Das gilt besonders für das Handwerk und die Gastronomie. In den vergangenen Jahren ist das Angebot an Ausbildungsplätzen in Einbeck leicht gestiegen, die Zahl der Bewerber dagegen deutlich gesunken. Zum Ausbildungsstart 2013 waren bei uns 312 Bewerber für Ausbildungsstellen gemeldet, für 2017 waren es nur noch 261 Bewerber. Für das laufende Berichtsjahr liegen noch keine Gesamtzahlen vor.
Was sind die Ursachen für den Bewerberrückgang?
Der Trend zum Studium ist ungebrochen. Das ist einerseits verständlich, weil viele ein Studium als bestmögliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Berufslaufbahn ansehen. Andererseits ist es fatal für Unternehmen, die auf Auszubildende als Fachkräftenachwuchs angewiesen sind. Neben der gestiegenen Studierneigung macht sich allerdings auch die demografische Entwicklung auf dem Ausbildungsmarkt bemerkbar, die Jahrgänge sind kleiner als früher.
Wie reagieren Unternehmen auf die Schwierigkeiten bei der Nachwuchs-Gewinnung?
Einige bieten duale Studiengänge an, die eine betriebliche Ausbildung mit einem Hochschulstudium kombinieren. In unserer Region sind das allerdings derzeit noch eher Einzelfälle. Auch die Teilnahme an Veranstaltungen zur Berufsorientierung, wie beispielsweise der Einbecker Ausbildungsmesse oder dem Northeimer BerufsInfoTag, ist ein Instrument der Nachwuchswerbung. Bei der Eigenwerbung haben viele Branchen, auch aus dem Handwerk, allerdings noch Nachholbedarf. Es reicht heute nicht mehr aus, sich bei einer Ausbildungsbörse hinter einen Stand zu stellen und auf geeignete Kandidaten zu warten. Es ist schade, dass viele Unternehmen nicht offensiver für sich und ihre Ausbildungsangebote werben, denn es gibt viele gute Argumente für eine Ausbildung.
Welche?
Viele Bewerber unterschätzen die Chancen, die eine Ausbildung eröffnet. Mit dem Abschluss der Lehre ist der Karriereweg ja noch längst nicht zu Ende. Man kann zum Beispiel den Betriebswirt, Techniker oder Meister aufsatteln, dafür gibt es auch Fördermöglichkeiten. Ein weiterer Pluspunkt ist, dass Auszubildende vom ersten Tag an Geld verdienen. Auf die Lebenszeit gesehen kann das Einkommen damit höher ausfallen als mit einem Studium. Und wer sich zum Beispiel als Meister selbstständig machen will, hat gute Chancen, einen etablierten Betrieb zu übernehmen, denn in vielen Inhaberfamilien gibt es keinen Nachfolger.
Es ziehen nicht nur viele junge Einbecker weg – etliche ziehen auch zu. Was macht die Stadt für sie attraktiv?
Zuzüge hängen in der Regel von einem konkreten, attraktiven Stellenangebot ab. Grundsätzlich geht der Trend eher in die Ballungszentren. Ein aktuelles Beispiel hierfür ist die Debatte um fehlende Landärzte und die Diskussion um die Gewinnung von Ärzten für den ländlichen Raum. Auch deshalb wäre es hilfreich, die Vorteile einer Ausbildung stärker herauszustellen. Für Heimatverbundene ist das eine große Chance. Wer seine Lehre in Einbeck absolviert, der wird mit einiger Wahrscheinlichkeit auch danach in der Region bleiben. Wer dagegen zum Studium in eine Großstadt zieht, kommt oftmals nicht zurück.
Bis 2030 sinkt die Zahl der Schulabgänger in Einbeck deutlich. Was heißt das für die Arbeitgeber?
Sie sollten Auszubildenden eine Chance geben, die nicht die besten Noten haben, aber lernbereit und motiviert sind. Wir können es uns nicht leisten, dass potenzielle Nachwuchskräfte ohne berufliche Perspektive auf der Straße stehen. In einigen Fällen wäre es sicherlich auch sinnvoll, die Anforderungen an den Schulabschluss zu senken – ich denke an etliche Anwälte, die von angehenden Rechtsanwaltsfachangestellten oftmals zwingend Abitur verlangen. Auch das Instrument des Praktikums könnte noch stärker genutzt werden, um die Eignung und Motivation im Vorfeld zu überprüfen. So hätten auch Jugendliche eine bessere Chance zu überzeugen, deren Talente nicht im Zeugnis Ausdruck fanden.
Und einen weiteren Aspekt sollten die Unternehmen bei der Ausbildungsplanung berücksichtigen: 2020 werden aufgrund der Umstellung des Abiturs von G8 auf G9 in Niedersachsen deutlich weniger Abiturienten auf den Ausbildungsmarkt kommen, da die allgemeinbildenden Gymnasien keinen Entlassjahrgang haben. Betriebe sollten deshalb überlegen, ob sie 2019 vielleicht einen oder zwei Ausbildungsplätze mehr anbieten.
Welche Rolle spielt der Zuzug aus dem Ausland, etwa von Flüchtlingen?
Viele Unternehmen waren in den vergangenen Jahren sehr offen gegenüber Migranten und haben etlichen jungen Flüchtlingen Halbjahres-Praktika angeboten. Zwar war die Zeit oft zu kurz, um ausreichend Deutsch für eine Ausbildung zu lernen. Aber in einigen Fällen werden die Flüchtlinge jetzt als Helfer beschäftigt und können vielleicht in ein oder zwei Jahren eine Lehre beginnen. Zwingende Voraussetzung für eine erfolgreiche Ausbildung sind nun mal ausreichende Deutschkenntnisse, denn trotz überzeugender praktischer Talente scheitern die Auszubildenden sonst in der Berufsschule, im theoretischen Teil der Ausbildung.
Was tut die Arbeitsagentur, um Bewerber und Arbeitgeber im Wandel zu unterstützen?
Wir planen im Landkreis Northeim gemeinsam mit dem Jobcenter und der Kreisverwaltung die Einrichtung einer Jugendberufsagentur. Davon versprechen wir uns, den Übergang von der Schule in den Beruf gemeinsam mit den Jugendlichen besser gestalten zu können. Denn unter diesem Dach werden wir alle Angebote bündeln. Für die Jugendlichen wird es damit einfacher sich zu orientieren. Geplant ist der Start in Northeim, Einbeck und Uslar sollen folgen.
Darüber hinaus bietet die Ländliche Erwachsenenbildung an den Standorten Einbeck und Northeim im Auftrag der Arbeitsagentur berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen an. Dabei werden auch Praktika vermittelt. Für Betriebe ist dies eine gute Möglichkeit, Bewerber kennenzulernen und vielleicht für die Ausbildung zu gewinnen.
Und welche Angebote gibt es für Unternehmen?
Für Betriebe wird es immer wichtiger werden, auch Ausbildungsbewerbern aus der zweiten Reihe eine Chance zu geben. Hier haben wir verschiedene Förderinstrumente, die Unternehmen bei der Ausbildung unterstützen. Zum Beispiel ausbildungsbegleitende Hilfen, eine Art Nachhilfe für Azubis. Denn in Sachen Ausbildung gilt heute mehr denn je: Es darf uns kein Jugendlicher verloren gehen.
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Bei Veranstaltungen wie der Einbecker Ausbildungsmesse können Unternehmen Schulabgänger auf sich aufmerksam machen. Maik Heise sagt: „Bei der Eigenwerbung haben viele Branchen Nachholbedarf.“ |
Viele junge Einbecker verlassen die Stadt für Ausbildung oder Studium. Finden die Arbeitgeber genügend Nachwuchs?
Viele Unternehmen haben große Schwierigkeiten, ihre Lehrstellen zu besetzen. Das gilt besonders für das Handwerk und die Gastronomie. In den vergangenen Jahren ist das Angebot an Ausbildungsplätzen in Einbeck leicht gestiegen, die Zahl der Bewerber dagegen deutlich gesunken. Zum Ausbildungsstart 2013 waren bei uns 312 Bewerber für Ausbildungsstellen gemeldet, für 2017 waren es nur noch 261 Bewerber. Für das laufende Berichtsjahr liegen noch keine Gesamtzahlen vor.
Was sind die Ursachen für den Bewerberrückgang?
Der Trend zum Studium ist ungebrochen. Das ist einerseits verständlich, weil viele ein Studium als bestmögliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Berufslaufbahn ansehen. Andererseits ist es fatal für Unternehmen, die auf Auszubildende als Fachkräftenachwuchs angewiesen sind. Neben der gestiegenen Studierneigung macht sich allerdings auch die demografische Entwicklung auf dem Ausbildungsmarkt bemerkbar, die Jahrgänge sind kleiner als früher.
Wie reagieren Unternehmen auf die Schwierigkeiten bei der Nachwuchs-Gewinnung?
Einige bieten duale Studiengänge an, die eine betriebliche Ausbildung mit einem Hochschulstudium kombinieren. In unserer Region sind das allerdings derzeit noch eher Einzelfälle. Auch die Teilnahme an Veranstaltungen zur Berufsorientierung, wie beispielsweise der Einbecker Ausbildungsmesse oder dem Northeimer BerufsInfoTag, ist ein Instrument der Nachwuchswerbung. Bei der Eigenwerbung haben viele Branchen, auch aus dem Handwerk, allerdings noch Nachholbedarf. Es reicht heute nicht mehr aus, sich bei einer Ausbildungsbörse hinter einen Stand zu stellen und auf geeignete Kandidaten zu warten. Es ist schade, dass viele Unternehmen nicht offensiver für sich und ihre Ausbildungsangebote werben, denn es gibt viele gute Argumente für eine Ausbildung.
Welche?
Viele Bewerber unterschätzen die Chancen, die eine Ausbildung eröffnet. Mit dem Abschluss der Lehre ist der Karriereweg ja noch längst nicht zu Ende. Man kann zum Beispiel den Betriebswirt, Techniker oder Meister aufsatteln, dafür gibt es auch Fördermöglichkeiten. Ein weiterer Pluspunkt ist, dass Auszubildende vom ersten Tag an Geld verdienen. Auf die Lebenszeit gesehen kann das Einkommen damit höher ausfallen als mit einem Studium. Und wer sich zum Beispiel als Meister selbstständig machen will, hat gute Chancen, einen etablierten Betrieb zu übernehmen, denn in vielen Inhaberfamilien gibt es keinen Nachfolger.
Es ziehen nicht nur viele junge Einbecker weg – etliche ziehen auch zu. Was macht die Stadt für sie attraktiv?
Zuzüge hängen in der Regel von einem konkreten, attraktiven Stellenangebot ab. Grundsätzlich geht der Trend eher in die Ballungszentren. Ein aktuelles Beispiel hierfür ist die Debatte um fehlende Landärzte und die Diskussion um die Gewinnung von Ärzten für den ländlichen Raum. Auch deshalb wäre es hilfreich, die Vorteile einer Ausbildung stärker herauszustellen. Für Heimatverbundene ist das eine große Chance. Wer seine Lehre in Einbeck absolviert, der wird mit einiger Wahrscheinlichkeit auch danach in der Region bleiben. Wer dagegen zum Studium in eine Großstadt zieht, kommt oftmals nicht zurück.
Bis 2030 sinkt die Zahl der Schulabgänger in Einbeck deutlich. Was heißt das für die Arbeitgeber?
Sie sollten Auszubildenden eine Chance geben, die nicht die besten Noten haben, aber lernbereit und motiviert sind. Wir können es uns nicht leisten, dass potenzielle Nachwuchskräfte ohne berufliche Perspektive auf der Straße stehen. In einigen Fällen wäre es sicherlich auch sinnvoll, die Anforderungen an den Schulabschluss zu senken – ich denke an etliche Anwälte, die von angehenden Rechtsanwaltsfachangestellten oftmals zwingend Abitur verlangen. Auch das Instrument des Praktikums könnte noch stärker genutzt werden, um die Eignung und Motivation im Vorfeld zu überprüfen. So hätten auch Jugendliche eine bessere Chance zu überzeugen, deren Talente nicht im Zeugnis Ausdruck fanden.
Und einen weiteren Aspekt sollten die Unternehmen bei der Ausbildungsplanung berücksichtigen: 2020 werden aufgrund der Umstellung des Abiturs von G8 auf G9 in Niedersachsen deutlich weniger Abiturienten auf den Ausbildungsmarkt kommen, da die allgemeinbildenden Gymnasien keinen Entlassjahrgang haben. Betriebe sollten deshalb überlegen, ob sie 2019 vielleicht einen oder zwei Ausbildungsplätze mehr anbieten.
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Maik Heise, Geschäftsstellenleiter der Arbeitsagentur für Northeim, Einbeck und Uslar. |
Welche Rolle spielt der Zuzug aus dem Ausland, etwa von Flüchtlingen?
Viele Unternehmen waren in den vergangenen Jahren sehr offen gegenüber Migranten und haben etlichen jungen Flüchtlingen Halbjahres-Praktika angeboten. Zwar war die Zeit oft zu kurz, um ausreichend Deutsch für eine Ausbildung zu lernen. Aber in einigen Fällen werden die Flüchtlinge jetzt als Helfer beschäftigt und können vielleicht in ein oder zwei Jahren eine Lehre beginnen. Zwingende Voraussetzung für eine erfolgreiche Ausbildung sind nun mal ausreichende Deutschkenntnisse, denn trotz überzeugender praktischer Talente scheitern die Auszubildenden sonst in der Berufsschule, im theoretischen Teil der Ausbildung.
Was tut die Arbeitsagentur, um Bewerber und Arbeitgeber im Wandel zu unterstützen?
Wir planen im Landkreis Northeim gemeinsam mit dem Jobcenter und der Kreisverwaltung die Einrichtung einer Jugendberufsagentur. Davon versprechen wir uns, den Übergang von der Schule in den Beruf gemeinsam mit den Jugendlichen besser gestalten zu können. Denn unter diesem Dach werden wir alle Angebote bündeln. Für die Jugendlichen wird es damit einfacher sich zu orientieren. Geplant ist der Start in Northeim, Einbeck und Uslar sollen folgen.
Darüber hinaus bietet die Ländliche Erwachsenenbildung an den Standorten Einbeck und Northeim im Auftrag der Arbeitsagentur berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen an. Dabei werden auch Praktika vermittelt. Für Betriebe ist dies eine gute Möglichkeit, Bewerber kennenzulernen und vielleicht für die Ausbildung zu gewinnen.
Und welche Angebote gibt es für Unternehmen?
Für Betriebe wird es immer wichtiger werden, auch Ausbildungsbewerbern aus der zweiten Reihe eine Chance zu geben. Hier haben wir verschiedene Förderinstrumente, die Unternehmen bei der Ausbildung unterstützen. Zum Beispiel ausbildungsbegleitende Hilfen, eine Art Nachhilfe für Azubis. Denn in Sachen Ausbildung gilt heute mehr denn je: Es darf uns kein Jugendlicher verloren gehen.