„Es fehlt die gemeinsame Vision, wie Einbeck aussehen soll“

Florian Geldmacher ist als Geschäftsführer der Einbeck Marketing GmbH verantwortlich für das Stadt- und Standortmarketing. Im Interview spricht er über Chancen und Grenzen der Neubürger-Werbung, Nachteile gegenüber Northeim und die Probleme bei der Umsetzung städtischer Bauprojekte.


Florian Geldmacher, Geschäftsführer der Einbeck Marketing GmbH. Foto: Einbeck Marketing / © Socher

Wie stehen Einbecks Chancen beim Werben um Neubürger?
Grundsätzlich gut – das kann ich aus eigener Erfahrung sagen. Als ich vor drei Jahren meine Aufgabe bei Einbeck Marketing übernommen habe, bin ich die ersten sechs Monate von Friedland aus gependelt. Ziemlich schnell haben wir uns dann aber entschieden, nach Einbeck zu ziehen und ein Haus zu kaufen. Wir schätzen das Angebot an Kindergärten und die Natur direkt vor der Tür. Gemessen an seiner Größe bietet Einbeck zudem ein recht internationales Umfeld mit Menschen aus unterschiedlichen Kulturen. Das liegt besonders an der KWS, die Mitarbeiter aus vielen Ländern rekrutiert.

Wo liegen die Schwächen?

Im Vergleich zu Northeim ist Einbeck bei der Autobahnanbindung klar im Nachteil. Auch der Weg zu den Kulturangeboten Göttingens ist weiter. Dafür haben sich vor Ort allerdings eigene Kulturangebote wie die Tangobrücke entwickelt, die diesen Nachteil teilweise ausgleichen. Ein weiterer Pluspunkt ist das starke Engagement der Bürger, das Initiativen wie die Sch(l)aufenster und Großveranstaltungen wie das Eulenfest ermöglicht – immerhin das größte Stadtfest der Region. Auch die Verkehrsanbindung wird sich deutlich verbessern, wenn wieder Züge vom Einbecker Bahnhof fahren.

Was halten Sie von der Idee, in Göttingen um Neubürger zu werben?
Einbeck Marketing ist bereits heute bei der PraxisBörse der Universität Göttingen vertreten, um die Studierenden auf Perspektiven in Einbecker Unternehmen aufmerksam zu machen. Ähnliches planen wir für Kassel. Allerdings stelle ich fest, dass es oft eine relativ hohe Hürde in den Köpfen gibt. Von Göttingen aus betrachtet scheint Einbeck weit weg zu sein – auch wenn es tatsächlich nur 40 Minuten Fahrt sind.

Also geben Sie der Neubürger-Werbung in Göttingen keine Chance?

In aller Regel braucht es für einen Umzug einen konkreten Anlass – oft ist das ein neuer Job. Nur wenige Menschen wechseln den Wohnort, weil ihnen eine Stadt so gut gefällt. Allerdings können wir die Rahmenbedingungen schaffen, damit die Mitarbeiter von Einbecker Unternehmen auch gern in Einbeck leben.

Welche Rahmenbedingungen meinen Sie?

Ein wichtiger Punkt ist die Gestaltung öffentlicher Räume – vom Neustädter Kirchplatz über den Marktplatz, die Tiedexer Straße bis zum Möncheplatz. Hier wurde viel geplant, aber wenig umgesetzt. Das muss sich ändern. Deshalb ist es jetzt beispielsweise auch sinnvoll, beim Neustädter Kirchplatz lieber stufenweise vorzugehen als auf einen großen Wurf zu warten.

Der Neustädter Kirchplatz gehört zu den öffentlichen Flächen, deren Umgestaltung seit langem geplant, aber nicht umgesetzt ist.

Woran liegt es, dass viele städtische Bauprojekte in der Realisierung scheitern?
Die verbindende Aufbruchstimmung, die mit der Planung und Eröffnung des PS Speichers da war, scheint verflogen zu sein. Heute fehlt die gemeinsame Vision, wie Einbeck in Zukunft aussehen soll. Wir brauchen von allen Gesellschaftsschichten, insbesondere den politischen Vertretern, gemeinsam gesetzte Ziele und klare Entscheidungen, welche Projekte in welchen Schritten umgesetzt werden sollen. Das 775-jährige Stadtjubiläum im Jahr 2027 könnte ein Anlass sein, so einen Plan aufzustellen.

Was muss noch geschehen?

Wir müssen das Angebot an modernem Wohnraum verbessern. Im Vergleich zu Northeim oder Alfeld ist die Auswahl an Mietwohnungen, Häusern und Baugrundstücken gering. Gleichzeitig stehen in der Innenstadt viele obere Etagen leer. Das hat sicherlich auch damit zu tun, dass die Modernisierung von denkmalgeschützten Fachwerkhäusern zuweilen eine teure Angelegenheit sein kann. Hier gilt es, die Chancen einer dauerhaften Nutzung gegenüber dem Erhalt der historischen Bausubstanz im Sinne der Nachhaltigkeit abzuwägen.

Einige Städte werben überregional offensiv um Neubürger. Ist das eine Chance für Einbeck?

Das ist eine Gemeinschaftsaufgabe für die Region. Deshalb präsentiert sich Südniedersachsen beispielsweise mit einem Gemeinschaftsauftritt bei der internationalen Auswanderermesse in Utrecht in den Niederlanden. Daran ist auch Einbeck beteiligt und wirbt mit dem Besten, was die Stadt zu bieten hat – dem Bier (lächelt). Auch beim Welcome Center für Südniedersachsen arbeitet die Region gut zusammen, um internationalen Fach- und Führungskräften den Start zu erleichtern. In Northeim gibt es ein Regionalbüro des Welcome Centers, das für den gesamten Landkreis zuständig ist. Dort bekommen die Zuwanderer zum Beispiel Hilfe bei Anträgen und Behördengängen.

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