Hoher Leerstand: Rat streitet über Neubaugebiete

Streit über den Haushalt und die Tiedexer Straße hatte die Stimmung schon kräftig erhitzt, als sich der Stadtrat mit der Leerstandserhebung beschäftigte. Die SPD hielt Ratsmehrheit und Verwaltung vor, mit dem geplanten Beschluss (Zurückhaltung bei Neubaugebieten) die Zukunft der Ortschaften in Frage zu stellen. Am Ende stand ein Kompromiss, der nicht schmerzt, aber  entscheidende Fragen offen lässt.

Mit dem Leerstand in Einbeck, hier in der Hullerser Straße, beschäftigte sich jetzt der Rat. Die Fraktionen stritten über die Zuverlässigkeit der Zahlen und Neubaugebiete in den Ortschaften.

Die Ausgangslage: Die Leipziger StadtLand GmbH hatte im Auftrag der Stadt ungenutzte Gebäude und Flächen erfasst und so eine zusätzliche Grundlage für Entscheidungen zur Stadtentwicklung geliefert. Das Ergebnis: 220 Leerstände (75 in der Kernstadt und 145 in den Ortschaften) sowie 388 Baulücken (71 in der Kernstadt und 317 in den Ortschaften). Dieser Zustand wurde als „signifikantes Strukturproblem" gewertet, zumal sich der Leerstand durch den absehbaren Bevölkerungsrückgang von rund 400 Einwohnern pro Jahr noch verschärfen könnte.

Einwand 1: Die Zahlen stimmen nicht.  Als "kompletten Blödsinn" kritisierte beispielsweise Dirk Heitmüller (SPD), Ortsbürgermeister in Salzderhelden, die Daten. 7 Leerstände und 15 Baulücken gibt die StadtLand GmbH für Salzderhelden an. Das stimme "nicht mal zu 70 Prozent", so Heitmüller. Ein entscheidender Mangel sei die unzureichende Einbindung der Dörfer in die Erhebung. "Solch wichtige Themen gehören in die Ortsräte, wo sie von allen beraten werden können." Bürgermeisterin Sabine Michalek widersprach. Bei den Zahlen handele es sich zwar nur um eine Momentaufnahme. Ortsbürgermeister und Ortsvorsteher seien aber zu Workshops eingeladen worden, Fehler in den Zahlen könnten korrigiert werden. Ziel sei es, die Diskussion über den Umgang mit dem demografischen Wandel anzustoßen. "Wir haben ein Aussterben der Ortskerne." Deshalb sei es falsch, nur Neubaugebiete an den Rändern zu eröffnen.

Einwand 2: Die Dörfer werden abgehängt. Gerade  für junge Familien müsse es auch in den Ortschaften attraktive Bauplätze geben, forderte die SPD. Fraktionschef Rolf Hojnatzki warnte vor einer Selbstbeschränkung des Rates, falls vor einer Ausweisung notwendiger Baugebiete immer gegen bestehende Baulücken argumentiert werden müsse. "Dieses Thema möchte ich uns allen ersparen." CDU-Fraktionsvorsitzender Dirk Ebrecht betonte, dass von einer Benachteiligung der Dörfer keine Rede sein könne. Allerdings sei der Leerstand ein Problem, mit dem man umgehen müsse – man dürfe nicht abwarten, bis Häuser zusammenfallen.

Der Kompromiss: Auf Antrag der FDP beschloss der Rat, dass die moderate Ausweisung von Neubaugebieten in Einbeck und Ortschaften möglich bleiben müsse. Die Verwaltung hatte vorgeschlagen,  Neubauflächen höchstens noch "vorsichtig moderat" auszuweisen – ohne ausdrückliche Erwähnung der Ortschaften. Zudem hatte die Verwaltung gefordert, sich auf den  altersgerechten und barrierefreien Umbau der Altbausubstanz zu konzentrieren. Ortsbürgermeistern und Ortsräten empfahl sie, mit Eigentümern ins Gespräch zu kommen, um bei Nachfrage nach Bauplätzen Baulücken zu aktivieren.

Die Fortsetzung: Der Rat hat einen Kompromiss beschlossen – doch die eigentliche Debatte dürfte damit erst begonnen haben. "Wir müssen mal so langsam die Realität wahrnehmen", forderte Heidrun Hoffmann-Taufall (CDU). Diese Realität ist: Einbecks Einwohnerzahl sinkt. Durch Neubaugebiete jedoch entsteht zusätzliche Infrastruktur, die von einer schrumpfenden Bevölkerung bezahlt werden muss. Die Fakten dürften deshalb schon bald eine schmerzliche Diskussion darüber erzwingen, wo Neubaugebiete sinnvoll sind – und wo bewusst darauf verzichtet wird. Eine dauerhafte Lösung kann nur im Konsens zwischen Einbeck und Dörfern entstehen.  Hoffmann-Taufall sagte es so: "Dieser Streit zwischen Ortschaften und Kernstadt ist absolut nicht mehr angemessen."

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