„Wir müssen dem Fachkräftemangel etwas entgegensetzen“

Seit zwei Jahren unterstützt das Welcome Centre Arbeitskräfte und Wissenschaftler, die nach Südniedersachsen kommen. Petra Becker-Jörns ist Ansprechpartnerin im Regionalbüro beim Landkreis Northeim. Im Interview erklärt sie, welche Schwierigkeiten Firmen und Neuankömmlinge bewältigen müssen.
 
Petra Becker-Jörns ist Ansprechpartnerin im Northeimer Regionalbüro des Welcome Centres.

Warum braucht es ein Welcome Centre?
Gerade im ländlichen Raum stehen wir vor der Herausforderung, dem Fachkräftemangel etwas entgegensetzen zu müssen. Die Universität Göttingen hat deshalb bereits vor 11 Jahren ein Welcome Centre gegründet, das rund 250 ausländische Wissenschaftler pro Jahr betreut. Die Südniedersachsen-Stiftung betreut seit 2012 ebenfalls bereits ankommende Arbeitskräfte in großen Unternehmen. 2017 wurden diese Modelle zusammengefügt und erweitert, um Universität und Wirtschaft bestmöglich bei der Gewinnung von Fachkräften zu unterstützen.

Wer genau ist Ihre Zielgruppe?
Seit dem Start haben wir im Bereich Welcome Centre für die Region etwa 160 Fachkräfte mit ihren Familienangehörigen unterstützt. Die Herkunftsländer sind sehr unterschiedlich – China, Indien und Japan sind ebenso vertreten wie Dubai, Frankreich, Brasilien, Mexiko oder die USA. Allerdings kommen unsere Klienten keineswegs alle aus dem Ausland. Wir betreuen auch Fachkräfte, die innerhalb Deutschlands umziehen.

Was sind die wichtigsten Probleme?
Eine der größten Schwierigkeiten ist die Rechtslage bei ausländischen Arbeitskräften. Die Gesetze sind hier teilweise noch äußert kompliziert. Je nach Beruf und Herkunftsstaat müssen ganz unterschiedliche Voraussetzungen erfüllt sein, damit jemand bei uns arbeiten darf. Zum Beispiel werden EU-Bürger anders behandelt als Zuwanderer aus Drittstaaten, für IT-Spezialisten und Hochschulabsolventen gelten wiederum besondere Regeln. Gerade für kleinere Unternehmen, in denen sich der Geschäftsführer oft persönlich um das Personal kümmert, ist das kaum zu  durchschauen. Deshalb ist es wichtig, dass es eine Anlaufstelle wie das Welcome Centre gibt.

Wie hat man sich einen schwierigen Fall in der Praxis vorzustellen?
Ein gutes Beispiel ist ein junger Mann aus der Gegend um Tschernobyl. Als Kind hat er nach dem Atomunglück an einem Hilfsprogramm teilgenommen – deshalb hat er sogar Gasteltern in Deutschland. Nun ist er Mitte Zwanzig und würde gern auf Dauer nach Deutschland kommen. Er hat in Weißrussland studiert und ist motiviert, hier zu arbeiten. Bei der Anerkennung des Studiums auf einer angebotenen Stelle gab es jedoch Schwierigkeiten. Hier gilt es nun, andere Möglichkeiten der Arbeitsaufnahme zu prüfen und aufzuzeigen.

Was sind die größten Schwierigkeiten nach der Ankunft?
Ein zentrales Problem ist die Wohnungssuche – besonders in Göttingen. Dort ist Wohnraum in den vergangenen Jahren immer knapper und teurer geworden. Hinzu kommt, dass viele Zuwanderer direkt nach der Ankunft ihre Arbeit beginnen. Sie haben  daher keine Zeit, eine Wohnung zu suchen und einzurichten. Für solche Fälle sind zu Beginn des Arbeitsverhältnisses möblierte Unterkünfte vorteilhaft – doch daran fehlt es bei uns häufig.

Wie lange betreuen Sie die Neuankömmlinge?

 Der Service wird für ein ganzes Jahr angeboten. Wir unterscheiden verschiedene Phasen mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Im Erstgespräch in der ersten Woche geht es zum Beispiel um die Anmeldung beim Einwohnermeldeamt, das Ausfüllen von Anträgen oder das Eröffnen eines Bankkontos. Innerhalb des ersten Monats beginnen wir gegebenenfalls, den Familiennachzug vorzubereiten – beispielsweise helfen wir bei der Suche nach einem Kindergartenplatz. Ist das erledigt, kümmern wir uns unter anderem um eine berufliche Perspektive für die Partner unserer Klienten.

Ende Mai läuft die zweijährige Projektphase des Welcome Centres ab. Wie geht es weiter?
Wir gehen in den Dauerbetrieb – getragen von der Universität Göttingen und der Südniedersachsen-Stiftung, die die Wirtschaft vertritt. Zu den Änderungen gehört, dass die Unternehmen ab Juni über Gebühren zur Finanzierung des Welcome Centres beitragen werden. Für einen internationalen Klienten mit Partner und Kind sind dann rund 1.900 Euro zu zahlen. Im Landkreis Northeim werden wir mittelfristig voraussichtlich weitere Regionalbüros in Einbeck, Bad Gandersheim, Northeim und Uslar eröffnen.

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