„Der Bedarf an medizinischer Betreuung steigt“

Mit dem demografischen Wandel wächst nicht nur die Zahl der Pflegebedürftigen – auch die Anforderungen an die Pflege selbst verändern sich. Im Interview sprich Kerstin Hartmann, Trainee Residenzleitung im Alloheim Einbeck, über die Herausforderungen des Alltags und den Umgang mit Demenzkranken.

Das Alloheim in Einbeck - rund 130 Senioren leben hier.

Immer mehr Menschen sind hochbetagt, also 80 Jahre und älter. Wie verändert das die Pflege?
Die Menschen werden nicht nur immer älter, sie leben auch länger selbstständig zuhause. Das bedeutet: Wenn ein Mensch heute entscheidet, in ein Pflegeheim zu gehen, dann ist er wesentlich hilfsbedürftiger als noch vor Jahren. Dadurch steigt der Bedarf an medizinischer und sozialer Betreuung.

Was heißt das konkret für Ihre tägliche Arbeit?

Nur weil jemand alt oder körperlich eingeschränkt ist, bedeutet das ja nicht, dass er keinen Spaß mehr haben oder das Leben nicht genießen möchte. Dem versuchen wir mit unseren abwechslungsreichen Angeboten Rechnung zu tragen. Wir wollen, dass die Bewohner weiterhin am sozialen Leben teilhaben. Ein Beispiel: Wenn wir unseren Bingo-Nachmittag veranstalten, dann ist jedes Mal Stimmung im Saal. Ein weiteres wichtiges Ziel: Die Bewohner sollen ihre Gewohnheiten so weit wie möglich beibehalten können. Wenn jemand gern bis 9 Uhr schläft oder sich jeden Sonntag schick anzieht, dann versuchen wir das auch immer zu ermöglichen.

Inwieweit kann das funktionieren, wenn die Fachkräfte fehlen?

Natürlich ist es spürbar, wenn Personalengpässe da sind. So kann zum Beispiel schon mal das geplante Sonntagsbad auf Montag verschoben werden, weil es am Wochenende schlicht nicht zu leisten ist. In der Regel reagieren die Bewohner auf so etwas verständnisvoll. Ich habe dazu noch kein negatives Feedback gehört. Grundsätzlich gilt aber immer: An der Qualität der Pflege darf es keine Abstriche geben.

Kerstin Hartmann, Trainee Residenzleitung im Alloheim. Sie sagt: "Wenn ein Mensch heute entscheidet, in ein Pflegeheim zu gehen, dann ist er wesentlich hilfsbedürftiger als noch vor Jahren."

Wie gehen Sie organisatorisch mit dem Mangel um?
Wir haben bei uns im Haus einen Dienstplanmanager, der die Arbeitstage einteilt und auf kurzfristige Ausfälle reagiert. Das Ganze funktioniert aber nur, wenn die Mitarbeiter für ihre Flexibilität auch eine Gegenleistung bekommen. Reicht das Stammpersonal nicht aus, dann setzen wir im Einzelfall auch freiberufliche Honorarkräfte ein. Unser Ziel ist es aber, die Dienste mit Stammpersonal zu besetzen. Unsere Bewohner sollen bekannte Ansprechpartner haben.

Welche Rolle spielen Alterserkrankungen wie Demenz?

Demenzerkrankungen nehmen deutlich zu – deshalb bereiten wir die Mitarbeiter regelmäßig durch Schulungen darauf vor. Sie lernen, den dementen Menschen dort abzuholen, wo er in seiner Vorstellung steht.

Können Sie ein Beispiel nennen?
Nehmen wir an, jemand denkt, dass er gleich vom Bus abgeholt wird. Da nützt es nichts zu widersprechen und zu erklären, dass es den vermeintlichen Bus gar nicht gibt. Aber man kann die Vorstellung des Bewohners in die Pflege einbeziehen und zur Motivation nutzen. Nach dem Motto: Der Bus kommt gleich? Dann ziehen wir uns mal lieber schnell an!

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