„Ich lerne viele Senioren kennen, die allein sind“

Als Dorfassistentin vermittelt Jutta König Unterstützung für Seniorinnen und Senioren. Im Interview spricht sie über die Schwierigkeiten des Alters, den Stolz der Nachkriegsgeneration und den Wunsch nach einem selbstbestimmten Leben in den eigenen vier Wänden.

In Garlebsen sowie acht weiteren Ortschaften berät Jutta König Seniorinnen und Senioren. Sie sagt: "Die meisten alten Menschen haben viele Jahrzehnte in die Sozialversicherung eingezahlt. Deshalb sollten sie sich auch nicht scheuen, die Leistungen, die ihnen zustehen, zu nutzen."

Wo liegen die größten Probleme alter Menschen?
In meinen Gesprächen stehen zuerst meist Schwierigkeiten rund um Wohnung oder Haus im Mittelpunkt. Mit dem Alter lassen Kraft und Beweglichkeit nach. Dann kommt der Punkt, an dem das Pflegen der Wohnräume, das Einkaufen, der Weg zum Arzt, die Gartenarbeit oder das Schneeschieben nicht mehr zu leisten sind. Verständlicherweise fällt es vielen Menschen schwer, sich solche Schwächen einzugestehen. Sich selbst und erst recht anderen gegenüber.

Wie kommt das?
Die heutigen Senioren stammen aus der Kriegs- oder Nachkriegsgeneration. Viele haben also harte Zeiten erlebt – das hat sie geprägt. Und sie waren es gewohnt, ihre Probleme ohne Hilfe zu lösen. Deshalb suchen sie oft erst dann Unterstützung, wenn es gar nicht mehr anders geht – häufig in einer akuten Krise.

Kann das Umfeld die Probleme nicht auffangen?
Häufig ist das nicht möglich. Ich lerne viele Senioren kennen, die allein sind. In guten Fällen leben die Kinder irgendwo in der Nähe und kommen einmal pro Woche zu Besuch. Häufiger wohnen sie aber weiter weg oder das Verhältnis zu ihnen ist nicht so eng. Dann besteht der Kontakt nur alle paar Wochen oder Monate. Es kommt auch vor, dass mich Kinder für ihre Eltern anrufen. Ihnen ist bewusst, dass sie ihre Eltern nicht ausreichend unterstützen können und sie suchen einen Ausweg.

Dorfassistentin Jutta König.

Gerade viele kleine Dörfer sind stolz auf die enge Nachbarschaft – kann das ein Teil der Lösung sein?
Teilweise vielleicht schon. Manchmal bekomme ich durchaus Anrufe von Menschen, die sich um einen Nachbarn oder Bekannten sorgen. Die Regel ist das nicht. Und es ist wie gesagt so, dass viele alte Menschen ungern Schwächen eingestehen. Sie wollen zum Beispiel keinen Pflegedienst - der parkt ja vor ihrem Haus und die Nachbarn können das Auto sehen! Ich habe bei meinen eigenen Eltern erlebt, wie stark die Abwehrhaltung sein kann. Sogar ich habe zweieinhalb Jahre gebraucht, um sie zu überzeugen, dass ein Pflegegrad kein Makel ist. Im Gegenteil: Oft ist die Prüfung der Pflegebedürftigkeit ein Schlüssel, um den Alltag zu verbessern.

Inwiefern?
Mit dem Pflegegeld bekommen die Senioren die Möglichkeit, eigenverantwortlich die Hilfe zu bezahlen, die sie brauchen und vor allem wollen. Das trägt dazu bei, ihre Selbstständigkeit zuhause zu erhalten und ihre Lebensqualität zu erhöhen. Die meisten alten Menschen haben ja viele Jahrzehnte in die Sozialversicherung eingezahlt. Deshalb sollten sie sich auch nicht scheuen, die Leistungen, die ihnen zustehen, und die sie jetzt im Alter brauchen, zu nutzen. Pflegegeld ist kein Almosen, sondern ein Anspruch. Gleichzeitig lässt sich damit oft die Zeit verlängern, in der die Senioren selbstbestimmt in den eigenen vier Wänden leben können. Für die meisten ist das der größte Wunsch: Sie wollen solange wie möglich gut versorgt im eigenen Zuhause leben.

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