„Viele haben ein veraltetes Bild von Pflege im Kopf“

Zu den größten Herausforderungen des demografischen Wandels gehört die Pflege der steigenden Zahl von Senioren. Dazu das Interview mit Kerstin Hartmann, Trainee Residenzleitung im Alloheim Einbeck. Sie sagt: Die Einrichtung könnte mehr Pflegebedürftige aufnehmen – doch es fehlen die Mitarbeiter.

Kerstin Hartmann ist Trainee Residenzleitung im Alloheim Einbeck. Sie sagt: "Die Pflege ist trotz vieler Hilfsmittel immer noch ein körperlich anstrengender Beruf. Das wird manchmal unterschätzt."

Wie groß ist Personalmangel in der Pflege?
Der Fachkräftemangel ist ein Thema der gesamten Pflegebranche. Unser Haus in Einbeck bildet da keine Ausnahme. Aktuell leben bei uns gut 130 Bewohner. Wir könnten bis zu 145 Betten belegen – bräuchten dazu aber mehr Fachpersonal, das nur schwer zu bekommen ist. Nach einer Analyse der Bundesagentur für Arbeit dauert die Nachbesetzung einer offenen Fachkraftstelle in der Altenpflege durchschnittlich 180 Tage. Das ist deutlich länger als in anderen Branchen.

Woran liegt es, dass nicht genügend Menschen in der Pflege arbeiten wollen?
Viele haben nach wie vor ein veraltetes Bild im Kopf, wie die Arbeit in der Pflege aussieht. Wir sind schon lange weg von der Sechs-Tage-Woche oder mehreren Diensten am Stück. Ganz im Gegenteil: Kaum ein Berufszweig bietet heute so flexible Arbeitszeiten wie die Pflege. Ein Beispiel sind die so genannten Mutti-Dienste von 8 bis 15 Uhr – für viele ist das ideal, um Beruf und Familie zu verbinden. Zudem gibt es schon in der Ausbildung eine Top-Vergütung und die Aufstiegschancen sind sehr gut.

Grundsätzlich sind Nacht- und Wochenendarbeit in der Pflege unvermeidlich – schreckt das nicht ab?

Mich persönlich hat das nie gestört – das gehört einfach zum Beruf dazu. Nachtschichten und Wochenendarbeit gibt es ja auch in vielen anderen Branchen. Deshalb denke ich nicht, dass das entscheidend ist. Es gibt auch Kollegen, die gezielt Nacht- oder Wochenendschichten wählen. Außerdem hat man dann an einem anderen Tag frei, wo andere Leute arbeiten müssen und kann Dinge erledigen, die man zum Beispiel nicht am Wochenende machen kann.

Die Bezahlung gilt ebenfalls nicht als Pluspunkt der Pflegebranche…
Das ist leider ein falscher Eindruck, der sich in der öffentlichen Debatte zur Pflege verfestigt hat. Bei uns in Einbeck kommt eine ausgebildete Fachkraft auf gut 3.200 Euro Grundgehalt im Monat. Das ist wirklich gut im Vergleich zu anderen Branchen. Und als Auszubildender erhält man im ersten Lehrjahr bereits überdurchschnittliche 900 Euro. Eine Herausforderung ist hingegen, dass die Pflege trotz vieler Hilfsmittel immer noch ein körperlich anstrengender Beruf ist. Das wird manchmal unterschätzt.

Was tun Sie, um mehr Personal zu gewinnen?
Als Alloheim-Gruppe bilden wir derzeit bundesweit 1.300 Pflegekräfte selbst aus. Darüber hinaus setzen wir auf die klassischen Wege, um neue Mitarbeiter zu finden: Wir kooperieren mit der Arbeitsagentur, schalten Stellenanzeigen, informieren in verschiedenen Social-Media-Kanälen. Zusätzlich arbeiten wir mit vielen Schulen zusammen, in Einbeck beispielsweise mit der BBS. Auch das Weitersagen und Empfehlen im Freundes- und Bekanntenkreis spielt eine große Rolle. Wir fördern das durch die Aktion „Mitarbeiter werben Mitarbeiter“: Wer eine zusätzliche Pflegekraft rekrutiert, bekommt dafür eine Prämie.

Ab 2020 gibt es eine einheitliche Ausbildung für die Alten- und Krankenpflege. Droht eine Abwanderung in die Krankenhäuser?

Das lässt sich derzeit noch nicht sagen. Allerdings steigt für die Arbeitgeber sicherlich die Motivation, die eigene Sparte so attraktiv wie möglich zu machen. Einen inhaltlichen Vorteil der gemeinsamen Pflegeausbildung sehe ich darin, dass medizinische und wirtschaftliche Themen einen höheren Stellenwert bekommen.

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