„Wir brauchen eine Seniorenassistentin für die ganze Stadt“

Als Dorfassistentin kümmert sich Jutta König um Seniorinnen und Senioren in neun Einbecker Ortschaften. Im Interview spricht sie über Möglichkeiten und Grenzen ihrer Arbeit, regionale Kooperation und notwendige Veränderungen in Zeiten des demografischen Wandels.

Dorfassistentin Jutta König hat im vergangenen Jahr 36 Senioren Hilfe vermittelt - am liebsten würde sie ihre Arbeit auch auf die Kernstadt ausdehnen. 

Was genau tut eine Dorfassistentin?
Das hat sich im Laufe meiner Tätigkeit stark gewandelt. Angefangen habe ich aus meiner Arbeitslosigkeit heraus in dem EU-geförderten Projekt „Soziales in und um Einbeck“ der Deutschen Angestellten-Akademie, DAA. In dieser Phase stand bei uns die praktische Hilfe für Senioren im Mittelpunkt: Ich bin mit ihnen einkaufen gefahren, habe sie zum Arzt begleitet oder geholfen, komplizierte Formulare auszufüllen; manchmal habe ich auch ihre Einsamkeit geteilt. Inzwischen leiste ich kaum noch praktische Hilfe, sondern konzentriere mich darauf, Unterstützung zu koordinieren.

Wie kam das?
Nach eineinhalb Jahren endete das Projekt der DAA und eine Fortsetzung in der bisherigen Art war erst einmal nicht in Sicht. Ich konnte das damals nicht begreifen, denn mir hat die Arbeit sehr viel Freude gemacht, sie war „meins“ und der Bedarf war da. Für mich war es eine Herzensangelegenheit - ich wollte unbedingt weitermachen. Deshalb habe ich gekämpft, habe mit Kommunalpolitikern und Institutionen gesprochen, bis ich einen Weg gefunden hatte. Ohne die Unterstützung der Ortsbürgermeister und Ortsvorsteher der damaligen Dörfer wäre dieser Weg nie gelungen. Inzwischen sieht die Lösung so aus, dass ich den größten Teil meiner Arbeitszeit als Betreuerin schwerstdemenzkranker Senioren in einem Alten- und Pflegeheim in Bad Gandersheim verbringe. Die Dorfassistenz führe ich an einem Tag pro Woche als Minijob im Auftrag der Stadt Einbeck weiter. Immer befristet für ein Jahr.

Wie sieht Ihre Arbeit als Dorfassistentin heute aus?
Ich bin jeden Donnerstag telefonisch zwischen 8 und 14.15 Uhr für alle Menschen der beteiligten Dörfer erreichbar, die Unterstützung brauchen. Dabei liegt der Fokus weiterhin auf Senioren. Wenn ich angerufen werde, vereinbare ich meist ein persönliches Gespräch in Form eines Hausbesuchs bei den Senioren. Dieses Gespräch ist meine Grundlage, es dauert in der Regel eineinhalb Stunden. Meine Erfahrung ist, dass sich die meisten Menschen recht schnell öffnen. Ich erfahre viel von ihren persönlichen Schwierigkeiten und dem Umfeld, in dem sie leben. Das ist die Grundlage für meine Koordinationsarbeit – Tipps zu geben und Kontakte zu Ansprechpartnern zu vermitteln, die nachhaltig helfen können. Inzwischen verfüge ich über ein gutes Netzwerk.

Wer gehört dazu?
Das reicht von regionalen Dienstleistern verschiedenster Art bis beispielsweise zu Gärtnereien, die gegen Bezahlung den Winterdienst übernehmen können. Wenn es gewünscht ist, rege ich auch den Kontakt zur Pflegekasse an, um das Thema Pflege anzugehen. Das kommt häufiger vor. Zwei bis vier Wochen nach meinem Besuch höre ich noch einmal nach und vergewissere mich, ob die Senioren gut zurechtgekommen sind oder ob sie noch meine Unterstützung brauchen. Eine sehr wichtige Anlaufstelle ist meines Erachtens der Senioren- und Pflegestützpunkt in Northeim. Daher lasse ich in der Regel einen Flyer des Pflegestützpunkts in den Haushalten zurück – das ist langfristig die nachhaltigste Versorgung, die wir regional haben.

Bedauern Sie es, dass sie nur noch vermitteln und nicht mehr selbst anpacken können?

Am Anfang fand ich das sehr schade. Inzwischen denke ich, dass sich meine beiden beruflichen Tätigkeiten ergänzt haben. Durch meine Arbeit im Alten- und Pflegeheim habe ich noch mehr Erfahrungen im Umgang mit Senioren gesammelt. Das hilft mir als Dorfassistentin, weil ich schnell einen Draht zu den Menschen aufbaue und sich mein Blick für sie geweitet hat.

Mit dem demografischen Wandel steigt die Zahl der Senioren. Müsste die Dorfassistenz nicht ein Vollzeitjob sein?
Um allen Einbecker Dörfern gerecht zu werden, wäre das sicherlich sinnvoll. Heute beschränkt sich meine Arbeit ja auf die Orte Kreiensen, Billerbeck, Haieshausen, Opperhausen, Osterbruch, Olxheim, Garlebsen, Ippensen und Greene. Ich schicke zwar niemanden weg, der mich anruft. Aber um die anderen Orte Einbecks kann ich mich nicht im gleichen Maße kümmern. Und finanziell ist das auch unfair den Dörfern gegenüber, die meine Anstellung bezahlen. Ich würde mir wünschen, dass wir nicht mehr nach Dörfern unterscheiden, sondern dass meine Arbeit für alle Senioren im Stadtgebiet da ist. Im vergangenen Jahr habe ich 36 alten Menschen Hilfe vermittelt. Damit war meine derzeitige Arbeitszeit als Dorfassistentin gefüllt.

Was braucht es für die Zukunft?
Eine Möglichkeit wäre, in der Dorfassistenz zusätzliche Stellen für Arbeitsuchende zu schaffen. So wie damals bei mir. Dann könnten wir einen großen Teil der praktischen Hilfe selbst leisten, zum Beispiel zum Einkaufen begleiten oder zum Arzt. Eine näherliegende Möglichkeit wäre es, meine Stelle auf 30 bis 32 Stunden pro Woche aufzustocken. Dann würde ich mich weiterhin darauf konzentrieren, Unterstützung zu koordinieren – aber ich könnte das gesamte Stadtgebiet abdecken.  Übrigens ist es keineswegs so, dass nur die Senioren in den Dörfern Unterstützung brauchen. Erst vor kurzem hat sich ein altes Ehepaar aus der Kernstadt bei mir gemeldet. Das zeigt: Eigentlich brauchen wir nicht nur eine Dorfassistentin – wir brauchen eine Seniorenassistentin für die ganze Stadt.

Beliebte Posts aus diesem Blog

Stadtverwaltung: Mehr als 100 Beschäftigte vor dem Ruhestand

Stadtverwaltung pocht auf Neubau-Option für Vogelbeck

Einbecks Grundschulen schrumpfen wieder