„Wir haben weniger Bewerber als vor einigen Jahren“

Mit fast 1.500 Beschäftigten am Stammsitz Einbeck ist der Saatguthersteller KWS der wichtigste Arbeitgeber der Stadt. Im Interview erklärt Personalexperte Nils Leonhardt, wie das Unternehmen Mitarbeiter für Südniedersachsen gewinnt, wie sich der Fachkräftemangel bemerkbar macht und welche Rolle der neue Standort in Berlin spielt. Leonhardt arbeitet bei KWS als Lead of Business Partners HR.

Das Gelände der KWS an der Einbecker Grimsehlstraße. Fast 1.500 Mitarbeiter aus 37 Nationen beschäftigt das Unternehmen am Stammsitz.

Standorte in ländlichen Regionen gelten oft als Nachteil bei der Mitarbeitersuche. Wie ist schwierig es für Sie, gutes Personal für Einbeck zu begeistern?
Ich sehe unseren Firmensitz nicht als Nachteil. Für uns ist klar: Einbeck ist und bleibt das Herz der KWS. Das Unternehmen will in den kommenden zehn Jahren bei Umsatz und Beschäftigten weiter kräftig wachsen. Ein Teil dieses Wachstums wird im Ausland stattfinden – gleichzeitig investiert das Unternehmen aber auch kräftig in den Standort Einbeck. Ich bin jetzt seit 13 Jahren bei KWS – und ich kann mich an keine Phase erinnern, in der auf dem Firmengelände in Einbeck nicht gebaut wurde. Im Moment entsteht gerade ein neues Gebäude für die Forschung und Entwicklung mit zusätzlichen 2.350 Quadratmetern Laborfläche und Raum für ca. 170 Arbeitsplätze. Gleichzeitig investieren wir in der Grimsehlstraße rund 40 Millionen Euro in den Ausbau unserer Produktion von Zuckerrübensaatgut. Daran sieht man: Einbeck bleibt der Mittelpunkt.

Dennoch haben Sie einen neuen Standort in Berlin geschaffen. Welche Rolle spielt das beim Rekrutieren neuer Mitarbeiter?
In Berlin bauen wir ein „Global Transaction Center“ für den kaufmännischen Bereich auf, das heißt wir bündeln unsere Verwaltungsleistungen. Dort arbeiten also nicht nur Mitarbeiter aus Einbeck, sondern auch Kollegen aus Nord- und Südamerika oder China, über 40 verschiedene Nationalitäten sind vertreten. Man kann sich leicht vorstellen, dass in so einer globalen Einheit Internationalität, zum Beispiel bezüglich der Sprachkenntnisse, eine wichtige Rolle spielt – und das ist in Berlin einfacher als in Einbeck. Dennoch gibt es kaufmännische Funktionen weiterhin auch an unserem Hauptsitz. Berlin ist eine Ergänzung.

Wie groß ist der Standort in Berlin?
In Berlin arbeiten aktuell 250 Mitarbeiter aus Bereichen wie IT, Personal, Controlling, Finanzen, Recht oder Einkauf. Ziel ist es, standardisierte Prozesse für unser künftiges Wachstum zu schaffen.

Welche Art von Mitarbeitern bekommen Sie in Berlin, die in Einbeck nicht zu finden sind?
Ich würde nicht davon sprechen, dass wir bestimmte Mitarbeiter in Einbeck nicht bekommen. Allerdings gibt es Berufsfelder, bei denen die Suche in Berlin leichter fällt.

Nils Leonhardt. Foto: KWS
 Welche Rolle spielen Digitalisierung und IT bei KWS?
Daten sind das neue Gold - das gilt auch für uns. Wir arbeiten schon seit langem daran, die Erfahrung und das Gefühl unserer Züchter durch Daten zu unterfüttern. Auch deswegen wird das ganze Thema „Big Data“ für die IT und Forschung & Entwicklung immer wichtiger.

Können Sie ein Beispiel nennen?
Wir machen mithilfe von Drohnen Luftaufnahmen sämtlicher Versuchsfelder. Auf diese Weise bekommen wir einen besseren Überblick, als wenn wir die Felder nur aus der Perspektive der Mitarbeiter betrachten. Alle Informationen fließen in einer Datenbank zusammen und werden ausgewertet. Das ist ein wichtiger Aspekt, um vielversprechende Züchtungsprogramme am Rechner zu simulieren noch bevor es in die Testphase auf dem Feld geht. Damit ersetzen wir nicht die Erprobung unter Realbedingungen. Aber die neuen Methoden sind eine Hilfe, denn die Welt hat gar nicht genügend Anbauflächen, um jede denkbare Züchtung auf dem Feld zu testen.

Viele regionale Firmen klagen über einen massiven Fachkräftemangel. Wie ist die Situation bei KWS?
Ich würde nicht sagen, dass wir den Mangel nicht spüren. Auch wir haben heute weniger Bewerber als noch vor einigen Jahren. Einer unserer Vorteile ist jedoch, dass wir ein großer, internationaler und in der Region bekannter Arbeitgeber und gleichzeitig ein Familienunternehmen mit regionalen Wurzeln sind. Allerdings unterscheidet sich die Bewerberlage von Beruf zu Beruf. Weniger spüren wir einen Mangel bei den Züchtern – hier gehören wir zu den bekannten Namen und Konkurrenz aus Großstädten gibt es kaum. Härter ist der Wettbewerb beispielsweise bei Controllern und IT-Experten, für die es Jobmöglichkeiten in vielen Unternehmen und an vielen Orten gibt.

Was überzeugt potenzielle Mitarbeiter vom Standort Einbeck?
Einbeck ist zum Beispiel für Familien ein sehr attraktiver Standort – mit viel Landschaft drumherum und moderaten Immobilienpreisen – zumindest im Vergleich zu Großstädten wie Hannover. Durch unser regionales Engagement leisten wir einen Beitrag zu einer attraktiven Standortgestaltung, zum Beispiel mit der Unterstützung kultureller Veranstaltungen oder Projekten wie der Errichtung der zusätzlichen Bahnhaltestelle Otto-Hahn-Straße direkt neben dem KWS-Gelände. Und wir investieren viel in unsere Mitarbeiter. Beispiele sind Kinderbetreuung, Erfolgsbeteiligung oder betriebliche Altersvorsorge. Zugleich versuchen wir, unseren Beschäftigten flexible Arbeitsmodelle zu bieten – etwa in Teilzeit oder mobil von zuhause. Ein gutes Beispiel dafür ist die Marketingabteilung. Auch so etwas funktioniert – wenn man es will, gut plant und kommuniziert.

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