Sozialarbeiter Marco Spindler: Altersarmut nimmt in Einbeck zu

Immer mehr Seniorinnen und Senioren haben so große Geldsorgen, dass sie fachkundige Hilfe suchen – das berichtet Kirchenkreissozialarbeiter Marco Spindler. Im Interview spricht er über die Ursachen der Not, ihre sozialen Folgen und besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen.

Die menschenleere Stadt als Symbol: Immer mehr Senioren fehlt das Geld für Unternehmungen mit Freunden und Bekannten - auch außerhalb von Corona-Zeiten droht Isolation. Foto: Archiv

Sie warnen vor wachsender Altersarmut – auch in Einbeck. Woran machen Sie das fest?
In unserer Sozialberatung zählen wir immer mehr Menschen im Rentenalter. Inzwischen sind es 25 Einzelpersonen oder Familien über 60 Jahren, die regelmäßig bei uns sind – Einzelbesuche nicht mitgerechnet. Früher war es die Ausnahme, dass Senioren mit Geldsorgen zu uns kamen. Doch in den letzten Jahren nimmt die Zahl kontinuierlich zu. Ich befürchte, dass sich dieser Trend fortsetzt.

Warum?
Die geburtenstarken Jahrgänge verlassen das Arbeitsleben, sodass die Zahl der Ruheständler bis 2030 deutlich steigt. Gleichzeitig ist damit zu rechnen, dass das gesetzliche Rentenniveau weiter sinkt. Für eine ausreichende private Vorsorge fehlt vielen Menschen aber das Geld. Angesichts dieser Fakten müssen wir davon ausgehen, dass sich die Altersarmut weiter verschärft. Es werden mehr Menschen auf Grundsicherung im Alter oder Wohngeld angewiesen sein. Über dieses Problem wird bisher noch viel zu wenig gesprochen.

Wie erklären Sie sich das?
Zum einen mag es damit zu tun haben, dass es vielen heutigen Rentnern noch relativ gut geht. Nicht wenige verfügen über zwei Renten oder sie haben im Laufe ihres Lebens geerbt. Zum anderen beobachte ich eine gewisse Resignation. Es gibt Menschen, die wissen sehr genau, dass sie im Alter nicht genug Geld haben werden. Sie haben aber das Gefühl, dass sie daran nichts ändern können – und finden sich mit der Situation ab.

Welche Menschen sind besonders betroffen?
Es gibt viele Gruppen, die stark von Altersarmut gefährdet sind: Soloselbstständige, Teilzeitbeschäftigte, Langzeitarbeitslose, Geringverdiener, chronisch Kranke und Menschen mit Behinderungen. Bei vielen Frauen kommen gleich mehrere Risikofaktoren zusammen – Erwerbsunterbrechung während der Familienzeit, Teilzeitarbeit, niedriger Stundenlohn. Man darf nicht vergessen: Selbst wer 30.000 Euro pro Jahr verdient, liegt bei einem sinkenden Rentenniveau im Alter an der Armutsgrenze.

Sozialarbeiter Marco Spindler.
Mit welchen konkreten Problemen kommen Senioren zu Ihnen in die Beratung?
Oft geht es um Gesundheitskosten, die von einer kleinen Rente kaum zu bezahlen sind. Das kann Zahlersatz sein, eine neue Brille oder ein Medikament, das die Krankenkasse nicht übernimmt. Auch Fahrtkosten können zum Problem werden – beispielweise durch regelmäßige Termine bei einem Facharzt in Göttingen. Ein anderes häufiges Problem sind die Energiekosten. Wer zum Beispiel auf ein Sauerstoffgerät oder einen Treppenlift angewiesen ist, der muss einen deutlich erhöhten Stromverbrauch bezahlen. Und in der Grundsicherung übernimmt das Sozialamt nur dann die vollen Energiekosten, wenn die Wohnungsgröße nicht über bestimmten Grenzwerten liegt. Den Rest müssen die Menschen aus ihren monatlichen Regelleistungen bestreiten.

Was sind die Folgen der Altersarmut?

Oft führt Geldmangel zu einer schlechten Wohnsituation und zu einem schlechten Zugang zu Gesundheitsleistungen. Nicht selten beobachte ich auch Isolation und Vereinsamung, weil für Aktivitäten mit anderen Menschen die finanziellen Mittel fehlen. All das zusammen wirkt sich wiederum negativ auf die körperliche Verfassung aus. Man könnte sagen: Altersarmut ist der Feind der Gesundheit.

Kontakt: Diakonisches Werk Leine-Solling, Dienststelle Einbeck, Lessingstr. 13b, 37574 Einbeck, Leitung: Marco Spindler, Tel.: (05561) 1004, Handy: 0160 - 97 614 851

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