Wie Ahaus zur Digitalstadt mit Barockschloss wurde

Ahaus im westlichen Münsterland gilt in puncto Digitalisierung als Vorbild. Zu den Treibern der Entwicklung zur „Smart City“ zählt das ortsansässige Unternehmen Tobit Software Laboratories. Vor Kurzem hat Dieter van Acken, verantwortlich für Marketing und Kommunikation bei Tobit, das Konzept in Einbeck vorgestellt. Im Interview erklärt er, was Ahaus ausmacht – und was andere Kommunen von der 40.000-Einwohner-Stadt mit historischem Barockschloss aus dem 17. Jahrhundert lernen können. Er sagt: „Auf keinen Fall sollte man alles auf einmal digitalisieren. Das verschreckt die Menschen.“

Im Herzen von Ahaus liegt das Barockschloss - früher Jagdresidenz der Fürstbischöfe zu Münster. Heute macht die Stadt im Münsterland nicht nur durch ihre Geschichte, sondern auch durch eine Vielzahl digitaler Angebote auf sich aufmerksam. Foto: Jens Bredehorn / Pixelio

Wie hat in Ahaus der Weg zur Digitalstadt begonnen?
Unser Unternehmen ist seit 36 Jahren in Ahaus. Lange litt die Stadt unter Leerstand, es fehlten Freizeitangebote für junge Leute. Wir wollten etwas verbessern – deshalb haben wir angefangen, Sommerfestivals mit bekannten Künstlern und später mehrwöchige Winterevents zu organisieren. Nach und nach haben wir dabei auch gezeigt, wie man Events digital verwalten kann – zum Beispiel das Reservieren oder Bezahlen. Daraus entwickelten sich die Ideen, die heute die Digitalstadt Ahaus ausmachen.

Wie lief das ab?
Am Anfang ging es meist um die Frage, wie wir ein ungenutztes Gebäude wieder beleben können – etwa ein leerstehendes Hotel. Später ging es um neue touristische Angebote wie einen Boots- oder Fahrradverleih. Unsere Rolle als Technologieunternehmen war es, durch digitale Lösungen den Aufwand zu senken oder die Zusammenarbeit mehrerer Partner zu erleichtern. Aktuell gibt es über 20 digitale Angebote und viele weitere, die wir in den letzten Jahren schon umgesetzt haben.

Was sind Ihre Top 3, wenn es um die Belebung der Innenstadt geht?
Erstens: Pop-Up-Gastronomie. Ich denke an einen Biergarten, der ohne Infrastruktur auf der grünen Wiese funktioniert. Dort bestellen und bezahlen die Gäste mit ihrem Smartphone – die umliegenden Gastronomen müssen nur Speisen und Getränke liefern. Der Vorteil: Bei schönem Wetter kann man gemeinschaftlich draußen sitzen - auch wenn jeder etwas anderes essen will.
Zweitens: Das begehbare Online-Kaufhaus in einem früher ungenutzten Gebäude. Dort kann der Handel ausstellen, die Kunden können außerhalb der normalen Öffnungszeiten shoppen. Wenn sie ein Produkt kaufen wollen, bestellen sie es über den Online-Shop – in Ahaus.  
Drittens: Der digitale Gutschein, mit dem man Online-Bestellungen bezahlen kann. Dadurch bleibt viel Kaufkraft in der Stadt. Unternehmen haben außerdem den Vorteil, dass sie den Gutschein sehr flexibel einsetzen können - zum Beispiel für eine spezielle Aktion im Weihnachtsgeschäft.
All diese Angebote kann man übrigens mit einem einheitlichen Account nutzen – in der Digitalstadt Ahaus muss man sich nur einmal anmelden.

Dieter van Acken: „Ein Großteil der Menschen steht hinter Ahaus als Digitalstadt und trägt das auch nach außen.“ Foto: Tobit

Wer ist außer Ihrem Unternehmen an der Digitalstadt beteiligt?
Es gibt viele Akteure. Sehr wichtig sind zum Beispiel Handel, Wirtschaft und Gastronomie. Genau wie Stadt, Stadtmarketing und Wirtschaftsförderung. 

Was hat sich in Ahaus verbessert – außer Gastronomie- und Shoppingangebot?
Die Identifikation der Bürgerinnen und Bürger mit ihrer Stadt. Ein Großteil der Menschen steht hinter Ahaus als Digitalstadt und trägt das auch nach außen. 

Ist die Digitalisierung auch ein Mittel gegen den Fachkräftemangel in vielen Dienstleistungsbranchen?
Natürlich. Self-Ordering ist zum Beispiel für die Gastronomie ein Riesen-Vorteil, weil die Unternehmen keinen Kellner mehr brauchen, der die Bestellung aufnimmt oder die Rechnung bringt. All das läuft über das digitale System. Das Essen kann eine freundliche Aushilfe servieren. Ich schätze, dass die Gastronomen dadurch 30 bis 50 Prozent weniger Mitarbeiter einsetzen.

„Wenn wir als Unternehmen bei einem neuen Angebot helfen, dann schreiben wir keine Rechnung.“

Die Bevölkerung altert – wie hoch sind die Hürden für Menschen, die nicht mit dem Smartphone aufgewachsen sind?
Nach meinem Eindruck ist das kein gravierendes Problem. Sicherlich stehen einige Menschen vor Hürden - aber wenn man sich interessiert, sind die relativ schnell zu überwinden. Der Großteil der Bevölkerung ist den Umgang mit dem Smartphone durchaus gewöhnt. Bei Problemen helfen Angehörige oder Vereine, die Workshops anbieten. 

Was sind Ihre Tipps für Städte, die sich an Ahaus ein Beispiel nehmen wollen? Was sollte man tun – und was nicht?
Auf keinen Fall sollte man alles auf einmal digitalisieren. Das verschreckt die Menschen. Ein gutes Startangebot ist der digitale Gutschein, weil man damit Käufer und Verkäufer gleichermaßen einbinden kann. Wenn Bürger und Händler den digitalen Prozess kennen, dann ist der Weg zum Online-Shop oder zur digitalen Speisekarte nicht mehr weit.

Welche Kosten sind mit der Digitalstadt Ahaus verbunden – und wer bezahlt?
Wenn wir als Unternehmen bei einem neuen Angebot helfen, dann schreiben wir keine Rechnung. Wir unterstützen die Digitalstadt, weil es gut für unseren Standort ist. 

Mehr Infos zur Digitalstadt Ahaus.

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