Nazis verdienen keine Stimmen – und Wähler keine Schelte
Alternd, schrumpfend – politisch weit rechts. Ostthüringen, die Region rund um Gera und Altenburg, ist zum warnenden Beispiel geworden. Strukturschwäche und eine ungünstige demografische Entwicklung beschleunigen dort den gefährlichen Aufstieg rechter Demagogen. Regionale Probleme und Bundestrends verbinden sich in unheilvoller Weise. Demokratinnen und Demokraten müssen darauf schleunigst Antworten finden – sonst bringt die wachsende Zustimmung zur AfD die Demokratie selbst in Gefahr. Eine Analyse der Lage - und ein Vorschlag für ein Investitionsprogramm gegen Rechtsextremismus.
Goldene Zeiten für Rechtspopulisten?
Deutschlandweit und international haben Rechtspopulisten Konjunktur. Sie leben von Frust und Abstiegsangst. Angst vor Jobverlust. Angst vor unbezahlbaren Preisen. Angst vor Armut im Alter. All diese Sorgen bekommen durch neue Konkurrenten (z.B. aus China), neue Technologien (z.B. KI), Inflation und Rentendebatten reichlich Nahrung. Hinzu kommt Frust, weil die Zeiten beständigen Wachstums zumindest in Deutschland vorbei zu sein scheinen – und mit ihnen die Chance auf wirtschaftlichen Aufstieg.
Zwar lösen Rassismus und Abschottung keine Probleme – im Gegenteil. Aber die einfache Formel „weniger für die anderen = mehr für uns“ wirkt auf viele Wähler trotzdem verführerisch. Zusätzlich zieht der neue Rechtspopulismus Menschen an, die Klimapolitik und gesellschaftliche Veränderungen als Angriff auf ihre Lebensweise verstehen. Sonntagsschnitzel und Genderstern werden zu Glaubensfragen.
Von den Parteien vergessen?
In Ostthüringen bekommen Rechtspopulisten durch regionale Probleme noch einen zusätzlichen Schub. Heruntergekommene Häuser und geschlossene Einrichtungen nähern dort den Eindruck: Die Politik hat uns vergessen. Industriearbeitsplätze gibt es zwar – doch oft sind sie schlecht bezahlt. Abwanderung und das Image der Verlierer-Region nagen am Selbstwert – den die AfD mit Parolen und Fake News gern wieder aufrichtet. Unterton: Wer zu uns gehört, kann sich als besserer Bürger fühlen.
Investitionsprogramm für die Demokratie
Sind das Gründe, Rechtsextremisten wie Björn Höcke zu wählen? Natürlich nicht.
Aber: Wählerschelte hilft auch nicht weiter. Die demokratischen Parteien müssen Kritik und Ängste ernst nehmen – und handeln. Es braucht:
- Große Investitionsprogramme für Ostthüringen und vergleichbare Regionen, um Fehler der vergangenen Jahrzehnte so gut wie möglich auszubügeln
- Ausreichende Unterstützung für alle Bürger, die notwendige Veränderungen (z.B. für den Klimaschutz) nicht allein stemmen können
- Verlässliche, zeitgemäße Kommunikation, die Regierungshandeln erklärt, Einigkeit demonstriert und damit Vertrauen schafft
- Klare Oppositionsarbeit, die Schwächen benennt und eine Alternative zur Regierung aufzeigt ohne Rechtspopulisten zu kopieren
Das alles wird nicht billig. Es wird sogar viele Milliarden kosten – und ist dennoch weitaus besser als sich weiter durchzuwursteln. Kommt die Demokratie erst einmal ins Rutschen, werden eingehaltene Schuldenbremsen ein äußert schwacher Trost sein.
„Wir müssen AfD-Wähler reinholen in den Dialog“
(Interview mit Theater-Intendant Kay Kuntze)
