„Die typische Innenstadt wird es schwer haben“
Die Bürgerinitiative Sch(l)aufenster Einbeck setzt sich seit sechs Jahren für ein besseres Stadtbild ein. Im zweiten Teil des Interviews spricht Vorsitzender Hans-Jürgen Kettler über die Schwierigkeiten der Mittelzentren, Hemmnisse durch den Denkmalschutz und fehlendes Leerstandsmanagement. Er sagt: „Auf dem Land ist für die Generation der Schulabgänger nicht genügend los.“
In manchen Fällen mag es an überzogenen Mieterwartungen liegen – das kann ich nur vermuten. Eine andere Möglichkeit – ich formuliere bewusst vorsichtig: Kann es sein, dass manche Eigentümer schlicht zu viel Geld haben und die Miete nicht brauchen? Bei der ganzen Diskussion darf man nicht vergessen, dass das Problem keineswegs nur Einbeck, sondern viele Mittelzentren betrifft. Schauen Sie nach Northeim oder selbst nach Goslar, das als touristische Hochburg gilt. Da finden Sie auch etliche Leerstände. Viele Besucher sagen sogar: Eure Stadt ist so schön – ihr habt doch gar kein Problem. Ich werde regelmäßig von Gästen angesprochen, die unsere Schlaufenster sehen und von Einbeck lernen möchten. Wenn ich wollte, hätte ich schon einige Vorträge halten können.
Worauf führen Sie die Schwierigkeiten der Mittelzentren zurück?
Neben dem demografischen Wandel ist der wirtschaftliche und berufliche Strukturwandel ein zentraler Grund. In den vergangenen Jahren hat sich die Zahl der Studierenden vervielfacht. Das bedeutet: Von den jungen Menschen, die in Einbeck Abitur machen, verlässt ein großer Teil die Stadt, um an die Uni zu gehen. Die Folgen sind gravierend. Überspitzt gesagt: In zehn Jahren werden drei Professoren wochenlang darauf warten, dass ihnen ein Sanitärfachmann das Klo repariert. Handwerkliche Berufe will keiner mehr ergreifen.
Theoretisch ist es durchaus möglich, in Einbeck zu leben und beispielsweise in Göttingen zu studieren. Auch andere Hochschulen liegen in erreichbarer Entfernung…
Auf dem Land ist für die Generation der Schulabgänger aber nicht genügend los. Junge Menschen wollen immer in den Städten sein, weil dort das Leben pulsiert. Das war schon immer so - und das ist auch nur schwer zu ändern. Ein deutliches Zeichen für die Anziehungskraft der Städte sind die Immobilienpreise.
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Hans-Jürgen Kettler kennt die Einbecker Innenstadt. Er sagt: "Viele sanierungsbedürftige Immobilien gehören betagten Menschen, die nicht das Geld für notwendige Investitionen haben." |
Wichtig wäre zum Beispiel, dass wir überall schnelles Internet bekommen – etwa in Form von flächendeckendem 5G. Dann könnten die Arbeitgeber umdenken und mehr Arbeit im Homeoffice ermöglichen. Selbst wenn das gelingt, wird es die typische Innenstadt mit kleinen Geschäften und der Gelegenheit zum kurzen Plausch in Zukunft aber schwer haben. Die Konkurrenz der Onlinehändler ist stark und die Freizeitangebote sind sehr vielfältig.
Auch wer in Einbeck investieren will, steht vor Hürden – zum Beispiel durch den Denkmalschutz. Welche Rolle spielt das für den Leerstand?
Das ist ein großes Problem. Wir haben in Einbeck allein mehrere Hundert alte Kellergewölbe. Da frage ich mich: Muss wirklich jedes einzelne unter Denkmalschutz stehen? So wie sie sind, wird diese Gewölbe niemand nutzen. Ein Hemmnis ist der Denkmalschutz auch dann, wenn er das Zusammenfassen von Ladenflächen verhindert. Und: Kein Grossist zieht in ein Gebäude, wenn er es nicht barrierefrei gestalten kann.
Welche Gründe für den Leerstand sehen Sie noch?
Eine weitere Schwierigkeit ergibt sich aus der Altersstruktur der Hauseigentümer. Viele sanierungsbedürftige Immobilien gehören betagten Menschen, die nicht das Geld für notwendige Investitionen haben. Und wenn sie zur Bank gehen, dann bekommen sie als 80-Jähriger keinen Kredit mehr. Ganz davon abgesehen, dass sich sechsstellige Investitionen in diesem Alter kaum noch rechnen.
Was müsste die Stadt tun?
Da habe ich auch kein Patentrezept. Ein Manko ist sicherlich: Wir haben in Einbeck kein vernünftiges Leerstandsmanagement. Dafür fehlt es der Stadt nach eigener Aussage am Personal und am Geld. In Zukunft könnte das eine Aufgabe für Einbeck Marketing werden – ich bin sehr gespannt, wie sich das entwickelt.
„Uns gehen langsam die Fenster aus“
(1. Teil des Interviews mit Hans-Jürgen Kettler)