„Ich schätze, dass 70 Prozent der Fachwerkhäuser saniert werden müssen“

Heiko Jörns verlässt mit seinem Geschäft die Einbecker Innenstadt. Im zweiten Teil des Interviews spricht er über den Sanierungsbedarf in vielen Fachwerkhäusern, den Einfluss des Denkmalschutzes und die Rolle der Stadtverwaltung. Seine Warnung: „Wenn wir nicht aufpassen, dann sieht es im Stadtkern bald ähnlich schlecht aus wie in Northeim, Bad Gandersheim oder Seesen.“

Blick in die Fußgängerzone: „Für junge Leute ist es unattraktiv, zum Einkauf in die Innenstadt zu kommen“, sagt Heiko Jörns.

Sie kritisieren die Aufenthaltsqualität in der Marktstraße – ist das ein Problem der ganzen Innenstadt?
Definitiv. Das Pflaster in der Fußgängerzone ist marode. Auch die Möblierung ist katastrophal. Hinzu kommt, dass es immer wieder aus der Kanalisation stinkt. Solche Faktoren entscheiden darüber, ob man sich gern im Zentrum aufhält oder nicht.

Wo sehen Sie noch Schwierigkeiten?
Ich schätze, dass 70 Prozent der Fachwerkhäuser dringend saniert werden müssen. Oft haben die Eigentümer seit 40 Jahren sehr wenig investiert, sodass die Instandsetzung inzwischen kaum noch bezahlbar ist. Viele Besitzer haben offenbar gedacht: Einbeck ist so toll – da kann ich einfach das Geld einnehmen und muss mich nicht weiter kümmern. Ihnen fehlt das Gefühl, was ihre Immobilien tatsächlich wert sind. Selbst jetzt in der Corona-Krise sind viele nicht bereit, ihren Mietern bei den Zahlungen entgegenzukommen.

Spricht die gute Entwicklung im Tourismus nicht dafür, dass Einbeck tatsächlich attraktiv ist?
Wir leben in einer schönen Stadt. Ich finde es großartig, dass wir seit einigen Jahren den PS. Speicher haben. Aber auf diesem Erfolg dürfen wir uns nicht ausruhen. Lange hatten wir in der Fußgängerzone relativ viele inhabergeführte Geschäfte und einen guten Branchenmix. Das waren Pluspunkte. Heute ist es für junge Leute unattraktiv, zum Einkauf in die Innenstadt zu kommen. Wenn wir nicht aufpassen, dann sieht es im Stadtkern bald ähnlich schlecht aus wie in Northeim, Bad Gandersheim oder Seesen.

Sie sprechen den schlechten Zustand vieler Fachwerkhäuser an. Inwiefern trägt der Denkmalschutz zum Sanierungsstau bei?

Die Denkmalschutzauflagen sind ein Riesen-Problem, weil sie die Kosten in die Höhe treiben. Es gibt Leute, die haben in Einbeck ein Fachwerkhaus gekauft und noch vor der Sanierung entnervt aufgegeben, weil sie so viele Vorgaben beachten sollten. In der Marktstraße kenne ich eine Immobilie, bei der allein die Instandsetzung des Dachstuhls 400.000 Euro kosten soll, weil das Dach mit Sandstein statt mit Ziegeln gedeckt werden muss. Bei solchen Auflagen verlieren Besitzer die Motivation.

Sehen Sie einen Ausweg?
Ich würde von der Stadtverwaltung erwarten, dass sie sich mit Hausbesitzern und Händlern an einen Tisch setzt und das Gespräch sucht. Was ist wichtiger: Dass die Fenster in jedem Fachwerkhaus in die richtige Richtung aufgehen oder dass wir die Gebäude vor dem Verfall retten? Mir ist auch klar, dass das Geld knapp ist. Aber wir brauchen eine Lösung – selbst wenn es ein langfristiger Plan ist. Leider muss ich sagen: Die Stadtverwaltung tut so gut wie nichts für die Innenstadt. Nach 20 Jahren stehen jetzt Bagger auf dem Neustädter Kirchplatz. Aber das bringt das Zentrum nicht voran.

Mehr zum Thema:
„Am alten Standort hätte ich nur verlieren können“ 
(1. Teil des Interviews mit Heiko Jörns)

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