Bürgerbus macht Trendelburg mobil

Auf dem Land stehen besonders Jugendliche und Senioren vor einem Mobilitätsproblem: Mit öffentlichen Verkehrsmitteln sind viele Ziele schwer zu erreichen. Die Kleinstadt Trendelburg nördlich von Kassel betreibt seit rund fünf Jahren einen gut genutzten Bürgerbus. Bürgermeister Martin Lange erklärt, was das Angebot bewirken soll, wie es funktioniert und was er für die Zukunft plant. Als Erfolgsfaktor nennt er den sozialen Kontakt zwischen Fahrgästen und ehrenamtlichen Fahrern: „Wer den Bürgerbus nutzt, bekommt nicht nur den Weg von A nach B, sondern trifft auch bekannte Gesichter.“

Trendelburgs Bürgermeister Martin Lange setzt auf den Bürgerbus als freiwillige Leistung der Kommune - die Stadtverwaltung nimmt auch die Fahrtwünsche entgegen.

Warum leistet sich Trendelburg einen Bürgerbus?
Trendelburg teilt das Schicksal vieler ländlicher Kommunen: Wir schrumpfen. Allein seit 2014 ist die Einwohnerzahl um vier Prozent gesunken. Um diesem Trend etwas entgegenzusetzen, bemühen wir uns, das Leben in Trendelburg so attraktiv wie möglich machen. Wir setzen auf günstiges Bauland für Familien, auf schnelles Internet und gute Mobilitätsangebote – dazu zählt der Bürgerbus. Heute leben in Trendelburg knapp 5.000 Menschen, verteilt auf acht Stadtteile. Diese Zahl wollen wir halten.

An wen richtet sich das Angebot?
Grundsätzlich an alle Trendelburger. Es ist aber schnell klar geworden, dass der Bürgerbus vor allem von Senioren genutzt wird. Viele Ältere buchen Fahrten zum Arzt, zur Apotheke oder zum Einkaufen. Ursprünglich hatten wir auch Minderjährige im Blick, die keinen Führerschein besitzen. Unsere Erfahrung zeigt jedoch, dass Kinder und Jugendliche eher auf Fahrdienste ihrer Eltern zurückgreifen. Oder sie nutzen das vergünstigte Hessen-Ticket für den öffentlichen Nahverkehr.

Wie viele Nutzer haben Sie?
Wir schätzen, dass rund 40 Trendelburgerinnen und Trendelburger den Bürgerbus regelmäßig nutzen. Hinzu kommen die nicht genauer ermittelbaren sporadischen Nutzer. Im vergangenen Jahr war das Fahrzeug an 187 Tagen auf rund 800 Touren im Einsatz. Zum Verständnis muss man wissen, dass die Zahlen nur die Tage Montag bis Freitag und nur die Vormittage betreffen. Nachmittags setzen wir das Auto für Fahrdienste zu zwei Seniorentreffpunkten ein. Am Wochenende vermieten wir das Fahrzeug an Vereine und Privatpersonen.

Im Bürgerbus, hier noch das alte Modell, fahren rund 40 Menschen regelmäßig mit.
Foto: Stadt Trendelburg

Wie kann man eine Fahrt bestellen?
Alle Wünsche nehmen wir in der Stadtverwaltung telefonisch oder per E-Mail zu unseren Öffnungszeiten entgegen. Aus den Bestellungen stellen wir täglich einen Tourenplan für den Folgetag zusammen. Bei spontanen Wünschen ist der jeweilige Fahrer per Handy erreichbar. Allerdings können wir bei kurzfristigen Anfragen nicht garantieren, dass wir die Tour übernehmen können. Der übliche Weg ist deshalb die telefonische Vorbestellung in der Verwaltung.

Wer fährt den Bus?
Wir sind sehr froh, dass wir über einen Pool von zehn ehrenamtlichen Fahrerinnen und Fahrern verfügen. Die meisten sind fitte Ruheständler. Sie wollen sich sinnvoll engagieren und mögen den Kontakt zu Menschen. Bei einigen spielt sicherlich auch der Gedanke eine Rolle, dass sie den Bürgerbus in einigen Jahren selbst nutzen möchten. Ein stabiles Team von Fahrern ist die Grundlage für ein verlässliches Angebot. Auch deshalb bemühen wir uns sehr, Wertschätzung für die Ehrenamtlichen zu zeigen – beispielsweise mit einer kleinen Aufwandsentschädigung, die ich einmal pro Jahr bei einer Feier übergebe.

Wie finanziert sich das Projekt?
Der Bürgerbus ist eine freiwillige Leistung der Stadt Trendelburg. Für eine einfache Tour erheben wir einen Fahrpreis von einem Euro. Es bleiben jedoch schwankende Kosten von rund 8.000 Euro pro Jahr, die wir aus dem kommunalen Haushalt decken. Mit dem Geld bezahlen wir beispielsweise Treibstoff, Reparaturen und Aufwandsentschädigungen. Vor kurzem mussten wir zudem unser Fahrzeug ersetzen. Die Anschaffung wird von drei regionalen Unternehmen mit insgesamt 10.000 Euro unterstützt. Solche Investitionen fallen uns nicht leicht – das zeigt den Stellenwert des Bürgerbusses.

Die knapp 5.000 Einwohner Trendelsburgs verteilen sich auf acht Stadtteile. Zu den kleinsten Orten zählt Friedrichsfeld mit rund 160 Köpfen.

Wie erklären Sie sich den Erfolg?
Unseren Kundinnen und Kunden ist es sehr wichtig, keine Bittsteller zu sein. Sie wollen mobil sein – aber ungern Kinder oder Nachbarn in Anspruch nehmen. Diese Lücke schließen wir mit dem Bürgerbus. Unser Fahrpreis ist zwar überschaubar, aber er zeigt: Die Seniorinnen und Senioren erhalten bei uns keine Gefälligkeit, sondern eine bezahlte Leistung. Viele geben sogar freiwillig mehr. Der zweite entscheidende Erfolgsfaktor ist der soziale Kontakt zu unseren ehrenamtlichen Fahrern. Wer den Bürgerbus nutzt, bekommt nicht nur den Weg von A nach B, sondern trifft auch bekannte Gesichter.

Was würden Sie anderen Kommunen raten – und was nicht?
Nach unserer Erfahrung ist ein offizieller, zuverlässiger Ansprechpartner sehr wichtig. Wir haben uns deshalb gegen Vorschläge entschieden, die Entgegennahme der Bestellungen an Ehrenamtliche zu übertragen. Organisatorisch stellt uns die Aufgabe in einer kleinen Stadtverwaltung durchaus vor Herausforderungen. Aber wir wollen das nicht auslagern. Der Bürgerbus ist uns die Mühe wert. Ich finde es wichtig, dass Kommunen Verantwortung übernehmen und mit gutem Beispiel vorangehen.

Wie geht es weiter mit dem Bürgerbus – kann man die Fahrten bald digital buchen?
Ich vermute, dass wir noch eine ganze Weile analog unterwegs sein werden. Online-Buchungen wären zwar praktisch, weil man sofort sehen könnte, wann der Bürgerbus verfügbar ist. Aber ich nehme an, dass wir damit an den Wünschen der Seniorinnen und Senioren vorbeigehen würden.
Unser Ziel ist, nicht nur den Bürgerbus weiterzuentwickeln, sondern das gesamte Mobilitätsangebot. Deshalb unterstützen wir unter anderem den Ausbau des Busverkehrs in Nordhessen. Mit dem Fahrplanwechsel im Dezember werden die meisten Linien im Landkreis Kassel im Einstundentakt unterwegs sein. Das ist eine wichtige Verbesserung für Trendelburg. Gemeinsam mit der Universität Kassel starten wir zudem ein Beteiligungsprojekt, in dem wir die Bürgerinnen und Bürger nach ihren Wünschen für die künftige Mobilität fragen. Was dabei herauskommt, ist noch offen. Ich bin aber überzeugt, dass ein wichtiger Punkt die Verknüpfung unterschiedlicher Verkehrsmittel wie Bus, Bahn, Fahrrad und Auto sein wird.

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