„Die Probleme stärker ins Bewusstsein rücken“

In Einbeck haben immer Rentner nicht genug Geld, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Das kritisiert Kirchenkreissozialarbeiter Marco Spindler im Interview. Er erklärt, was die Kirche unternimmt, welche Handlungsmöglichkeiten der Staat hat und warum er sich angesichts der Corona-Pandemie um die Zukunft sozialer Projekte sorgt. 

Die Altersarmut wächst – auch in Einbeck. Laut Sozialarbeiter Marco Spindler will die Kirche verstärkt darauf aufmerksam machen. 

Was kann man gegen Altersarmut tun?
Wir als Kirche haben uns als erstes Ziel gesetzt, die Probleme stärker ins Bewusstsein zu rücken. Bisher ist vielen noch nicht klar, welch große Veränderung uns mit dem demografischen Wandel bevorsteht. Im Landkreis Northeim beispielsweise kamen 2017 noch 44 Rentner auf 100 Erwerbstätige, 2030 werden es 64 Rentner sein. Trotzdem muss es uns gelingen, die Älteren gut zu versorgen ohne die Jüngeren zu überfordern. Das ist eine riesige Herausforderung, für die noch niemand den Königsweg gefunden hat.

Welche Lösung könnten Sie sich vorstellen?
An höheren Zuschüssen zur Rentenversicherung wird aus meiner Sicht kein Weg vorbei führen – egal in welcher Form. Ich gehe auch davon aus, dass die Verlängerung der Lebensarbeitszeit in Zukunft wieder ein Thema werden wird. Andere Länder haben sich bereits für die Rente mit 70 entschieden, um das Verhältnis von Erwerbstätigen zu Ruheständlern zu verbessern. Ich finde, in diese Richtung kann man durchaus denken, denn in den vergangenen Jahrzehnten ist auch die Lebenserwartung deutlich gestiegen. Allerdings müsste man nach Berufsgruppen unterscheiden. Es ist klar, dass niemand bis zum 70. Geburtstag auf dem Bau arbeiten kann. 

Marco Spindler.
Welche Handlungsmöglichkeiten sehen Sie vor Ort?
In der Sozialberatung haben wir das Glück, dass wir uns bei konkreten finanziellen Notlagen an verschiedene Stiftungen wenden können. In Einbeck und Dassel gibt es darüber hinaus die „GemEINsam“-Besuchsdienste, die sich vor allem an alleinstehende Seniorinnen und Senioren richten. Ich finde, wir brauchen mehr solcher Angebote, damit Menschen im Ruhestand nicht vereinsamen. Das gilt ganz besonders für diejenigen, die mittellos und somit weniger mobil sind.

Angesichts der Corona-Epidemie können die angesprochenen Besuchsdienste zurzeit nur eingeschränkt arbeiten…
Ja, Hausbesuche sind im Moment leider nicht machbar. Die Ehrenamtlichen versuchen das durch Telefonate so gut wie möglich auszugleichen. Ich befürchte, dass die Corona-Krise noch für viele soziale Angebote negative Folgen haben wird. Angesichts der wirtschaftlichen Einbußen könnte die Finanzierung wichtiger Projekte in Frage gestellt werden. Diese Diskussion wird uns lange beschäftigen. 

Mehr zum Thema:
(1. Teil des Interviews)
(Lesetipp)

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