„Einbeck hat großes Potenzial zu wachsen“

Neben Event- und Citymanagement gehört das Standortmarketing zu ihren Aufgaben: Im zweiten Teil des Interviews spricht Anja Barlen-Herbig, seit Jahresbeginn Geschäftsführerin von Einbeck Marketing, über die Anziehungskraft der Stadt für begehrte Arbeitskräfte und das Verhältnis von Fachwerk, Braukunst und PS. Speicher. Sie sagt: „Bei den Events möchte ich die Identität der Stadt noch stärker herausarbeiten.“
Blick in die Fußgängerzone mit dem Eulenspiegel-Brunnen. „Viele Menschen aus den Metropolen möchten in ländlichen Regionen leben – allerdings nicht auf Urbanität zu verzichten“, sagt Anja Barlen-Herbig.
 
Einbeck verliert kontinuierlich Einwohner, vielen Firmen fehlen Fachkräfte. Was kann das Standortmarketing dagegen tun?
Mit dem Schrumpfen der Bevölkerung ist Einbeck nicht allein – aber Einbeck hat großes Potenzial zu wachsen. Wir erleben einen Trend zur progressiven Provinz, noch verstärkt durch die Corona-Pandemie. Viele Menschen aus den Metropolen möchten in ländlichen Regionen leben – allerdings nicht auf Urbanität zu verzichten. Ich kann mir gut vorstellen, dass Einbeck für diese Gruppe attraktiv ist. Allerdings müssen wir die Stadt dazu mit Zukunftsthemen wie Mobilität, Digitalisierung und Nachhaltigkeit positionieren und die Multifunktionalität der Stadt herausarbeiten.

Das haben sich viele Städte vorgenommen – was spricht gerade für Einbeck?

Einbeck hat wahnsinnig viel Kultur, eine schöne ländliche Umgebung, eine funktionierende Nahversorgung, gute Schulen, medizinische Versorgung. Einbeck verfügt über internationale Unternehmen wie KWS. Hinzu kommt das tolle Fachwerk – damit ist Einbeck eine besondere Stadt. Eigentlich sind alle Parameter da – man muss sie nur kommunizieren.

Wie genau haben Sie das vor?
Seit Jahresbeginn haben wir zusätzliche Kommunikationskanäle aufgebaut. Wir sind jetzt bei Linkedin, Xing, Facebook, wir gehen auch in Instagram. Wir haben unsere Website komplett neu aufgesetzt ebenso einen neuen Newsletter, um die Einbecker Wirtschaft intern zu verbinden. Auch um die Medienarbeit werden wir uns verstärkt kümmern, denn wir wollen in die Fachmagazine. Im nächsten großen Schritt werden wir die Inhalte positionieren, mit denen wir Einbeck vermarkten.

Welche Inhalte schweben Ihnen vor?

Es gibt viele Ansatzpunkte. Wir haben ein 5G-Projekt bei KWS, wir haben Industrie 4.0, wir haben Unternehmen, die stark auf Digitalisierung setzen. Auch das Thema Mobilität ist mit dem PS. Speicher super zu bedienen und das Thema Nachhaltigkeit ist für einen zukunftsfähigen Standort ebenfalls wichtig. Ich führe dazu Gespräche mit der Stadt und den Unternehmen.

Welche Zielgruppe haben Sie im Blick?

Eine wichtige Gruppe sind überregional gesuchte Fachkräfte. Städte wie Hameln haben dazu bereits Kampagnen gestartet. Eine wichtige Zielgruppe sind die Millennials aus den Großstädten und umliegenden Regionen, also Menschen um die 25 bis 35, die wir über digitales Marketing erreichen und mit ihren Bedürfnissen ansprechen müssen. Für diese Zielgruppe wollen wir über Inhalte ein positives Image erzeugen. Wenn dann eine Stellenanzeige kommt, sollen sie wissen: Einbeck ist gar nicht so uncool.

Northeim wirbt offensiv um Studenten, die in Göttingen keinen bezahlbaren Wohnraum finden. Ist das auch ein Weg für Einbeck?
Ja, das ist auch für uns ein Thema. Wir müssen in verschiedenen Zielgruppen denken. Der Weg nach Göttingen ist nicht weit und die Verkehrsanbindung ist sehr gut.

In den Landkreisen Northeim und Göttingen gibt es bereits eine gemeinsame Initiative für Fachkräftemarketing. Wie passt das mit Ihren Plänen zusammen?
Wir bringen uns in die Initiative „Fachkräftemarketing“ bei der Südniedersachsen-Stiftung ein – ich bin selbst Mitglied einer Arbeitsgruppe, die gerade startet, um im kommenden Jahr eine Strategie vorzulegen. Standortmarketing hört nicht an Stadtgrenzen auf. Wir müssen uns als Region gemeinsam positionieren – und sollten Nachbarstädte nicht als Konkurrenten betrachten. 
Beim Gespräch: Anja Barlen-Herbig.
 
Sie sprachen den PS. Speicher an – wie sehen Sie die touristische Vermarktung der Stadt?
Die touristische Vermarktung Einbecks ist Aufgabe der Stadtverwaltung, wir arbeiten jedoch eng zusammen. Der PS. Speicher ist ein absoluter Magnet und ein Alleinstellungsmerkmal für Einbeck. Im touristischen Markenprozess wird gerade unter Leitung von Einbeck Tourismus herausgearbeitet, welches die wichtigsten Themen für die Stadt sein sollen. Neben dem PS. Speicher sehe ich dabei das Fachwerk und die Braukunst.

Sind alle Themen gleichberechtigt?
Alle genannten Themen sind wichtig für die Wahrnehmung von Einbeck. Allerdings ist der PS. Speicher auch international etwas Einzigartiges. Das Einbecker Bier ist ebenfalls überregional bekannt und seit Jahrhunderten mit dem Standort verbunden. Fachwerk dagegen bieten auch andere Städte.

Was bedeutet das in der Praxis?
Bei den Events möchte ich die Identität der Stadt noch stärker herausarbeiten - da bietet sich eine Zusammenarbeit mit dem PS. Speicher an. Bei Veranstaltungen wie der Oldtimer-Rallye können wir uns andocken und Gäste, die ohnehin in Einbeck sind, zum verkaufsoffenen Sonntag in die Innenstadt holen. Ähnliches gilt für die Brauerei bei Veranstaltungen wie dem Bierfest.

Sie haben sich große Aufgaben vorgenommen. Brauchen Sie ein höheres Budget?

Ich bin dabei, neue Sponsoren zu gewinnen. Mit verschiedenen Unternehmen gab es schon vielversprechende Gespräche. Allerdings kam dann Corona dazwischen. Jetzt müssen wir erst einmal schauen, welche wirtschaftlichen Folgen die Pandemie für Einbeck hat. Aber es ist natürlich das Ziel, weitere Unterstützer einzubinden.

Mehr zum Thema: 
„Außergewöhnliche Sortimente machen eine Innenstadt lebensfähig“
(1.Teil des Interviews mit Anja Barlen-Herbig)

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